Page 35 - Weiss, Jernej, ur. 2017. Glasbene migracije: stičišče evropske glasbene raznolikosti - Musical Migrations: Crossroads of European Musical Diversity. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 1
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Die stilistische Vielfalt
von Orlando di Lassos weltlichem Schaffen
im Spiegel seiner Lebensstationen
Hartmut Krones
Univerza za glasbo in upodabljajočo umetnost na Dunaju
University of Music and Performing Arts Vienna
Orlando di Lasso, um 1532 in Mons im Hennegau geboren, war somit „Nie-
derländer“, wird aber auf Grund seines gleichsam gesamteuropäischen Le-
benslaufes selten als solcher gesehen. In Mons Chorknabe an der Kirche
Saint-Nicolas-en-Bertaimont, verließ er 1544, im Alter von 12 Jahren, sei-
ne Heimat, da ihn Ferrante Gonzaga, Vizekönig von Sizilien und damals
als Feldherr des französischen Kaisers Karl unterwegs, auf Grund seiner
schönen Stimme in seine Dienste nahm. (Lasso soll übrigens wegen sei-
ner Stimme mehrmals entführt worden sein.) Im Dienst von Gonzaga hielt
sich Lasso nun einige Jahre in Italien auf, vor allem in Palermo und Mai-
land, war dann 1549–1551 im Neapel am Hof des Marchese della Terza tätig,
eines Schwagers von Gonzaga, und wechselte schließlich zu Antonio Alto-
viti, dem damals in Rom lebenden Erzbischof von Florenz, wo er u. a. Ni-
cola Vicentinos Überlegungen zur Chromatik kennenlernte. 1553 und 1554
wirkte Lasso als Kapellmeister an der römischen Lateranbasilika, wo er vor
allem für die Ausgestaltung der Liturgie durch Messen und Motetten zu-
ständig war. In diesen frühen Jahren schuf unser Komponist aber vor allem
typisch italienische Formen wie Villanellen, Madrigale und Moreschen,
1555, als sich der Komponist nach längerer Reisetätigkeit bereits in Antwer-
pen befand, erschien in Venedig seine erste Madrigalsammlung.
In Antwerpen, wo Lasso von 1554 bis 1556 als freischaffender Künst-
ler lebte, wurde 1555 bei Tilman Susato auch sein „Opus 1“ gedruckt, eine
Sammlung von Madrigalen, Villanellen, Chansons und Motetten, womit
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von Orlando di Lassos weltlichem Schaffen
im Spiegel seiner Lebensstationen
Hartmut Krones
Univerza za glasbo in upodabljajočo umetnost na Dunaju
University of Music and Performing Arts Vienna
Orlando di Lasso, um 1532 in Mons im Hennegau geboren, war somit „Nie-
derländer“, wird aber auf Grund seines gleichsam gesamteuropäischen Le-
benslaufes selten als solcher gesehen. In Mons Chorknabe an der Kirche
Saint-Nicolas-en-Bertaimont, verließ er 1544, im Alter von 12 Jahren, sei-
ne Heimat, da ihn Ferrante Gonzaga, Vizekönig von Sizilien und damals
als Feldherr des französischen Kaisers Karl unterwegs, auf Grund seiner
schönen Stimme in seine Dienste nahm. (Lasso soll übrigens wegen sei-
ner Stimme mehrmals entführt worden sein.) Im Dienst von Gonzaga hielt
sich Lasso nun einige Jahre in Italien auf, vor allem in Palermo und Mai-
land, war dann 1549–1551 im Neapel am Hof des Marchese della Terza tätig,
eines Schwagers von Gonzaga, und wechselte schließlich zu Antonio Alto-
viti, dem damals in Rom lebenden Erzbischof von Florenz, wo er u. a. Ni-
cola Vicentinos Überlegungen zur Chromatik kennenlernte. 1553 und 1554
wirkte Lasso als Kapellmeister an der römischen Lateranbasilika, wo er vor
allem für die Ausgestaltung der Liturgie durch Messen und Motetten zu-
ständig war. In diesen frühen Jahren schuf unser Komponist aber vor allem
typisch italienische Formen wie Villanellen, Madrigale und Moreschen,
1555, als sich der Komponist nach längerer Reisetätigkeit bereits in Antwer-
pen befand, erschien in Venedig seine erste Madrigalsammlung.
In Antwerpen, wo Lasso von 1554 bis 1556 als freischaffender Künst-
ler lebte, wurde 1555 bei Tilman Susato auch sein „Opus 1“ gedruckt, eine
Sammlung von Madrigalen, Villanellen, Chansons und Motetten, womit
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