Page 111 - Weiss, Jernej, ur./ed. 2021. Opereta med obema svetovnima vojnama ▪︎ Operetta between the Two World Wars. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 5
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operette trifft tonfilm
spiel“ und nicht etwa „Tonfilmoperette“ wird zudem deutlich, dass das
Theater für die zeitgenössischen Rezipienten der Ankündigung, die auch
das Kinopublikum darstellten, als maßgebliche Referenzgattung galt. Der
faktische Medienwechsel zwischen Operette und Tonfilmoperette tritt in
dieser Ankündigung somit in den Hintergrund.
Tonfilmschlager wurden nicht nur innerhalb des deutschsprachigen
Raums, sondern in einem internationalen Kontext verbreitet. Dabei wur-
den allerdings neben der für den deutschen Tonfilm wichtigen Märkte
Frankreich oder Italien, auch kleinere Nischenmärkte in den Distributi-
onsprozess miteinbezogen: So fand der von Friedrich Hollaender kompo-
nierte Tonfilmschlager „Wie hab‘ ich nur leben können ohne dich“ aus der
Ufa-Tonfilmoperette Ich und die Kaiserin (1933)21 als Schallplattenaufnahme
(jeweils gesungen von Lilian Harvey, der Hauptdarstellerin des Films) nicht
nur Eingang in den französischen („Jamais je ne pourrais vivre loin de toi“)
oder den englischen Markt („But for You“), sondern in einer Interpretati-
on („Elada kuis ma küll võisin“) von Artur Rinne auch in den estnischen.22
Die Praxis des Sprachversionsfilms muss in Verbindung mit dieser
breiten Distribution der Tonfilmschlager gesehen werden, die v. a. Anfang
der 1930er Jahre die wichtigste Möglichkeit für eine internationale Verbrei-
tung des deutschen Tonfilms darstellte. Die Technik der Synchronisati-
on war zu dieser Zeit noch nicht ausgereift, weshalb zunächst ästhetische
Gründe gegen die Anwendung des Synchronisationsverfahrens sprachen.23
Bei einem Sprachversionsfilm wurden (meist an einem Produktionsstand-
ort) parallel (oder in kurzem zeitlichen Abstand zueinander) mehrere Ver-
sionen eines Films mit unterschiedlichen Schauspielern für die jeweiligen
Märkte produziert. Dieses ebenfalls von der Ufa entwickelte Modell war
in der Tonfilmoperette u. a. mittels Stars wie Lilian Harvey verstärkt in der Ver-
marktung eingesetzt.
21 Bei Ich und die Kaiserin handelte es sich ebenso um einen Sprachversionsfilm, wobei
Lilian Harvey aufgrund ihrer Mehrsprachigkeit in allen Versionen (dt., engl., franz.)
die Hauptrolle spielte. In Österreich erschien der Film unter dem Titel Das Strumpf
band der Kaiserin.
22 „Wie hab’ ich nur leben können ohne dich?“, Lilian Harvey (Gesang), Otto Dobrindt
(Dirigent), Odeon-Künstler-Orchester, 1932 [Odeon O-11779, B-Seite]; „Jamais je ne
pourrais vivre loin de toi“, Lilian Harvey (Gesang), 1933 [Parlophone 22.953, B-Sei-
te]; „But for You“, Lilian Harvey (Gesang), Otto Dobrindt (Dirigent), 1934 [Parlo-
phone R 1557, B-Seite] und „Elada kuis ma küll võisin“, Artur Rinne (Gesang), 1934
[Bellacord Electro 2099, B-Seite]. Hierbei spielte die Technologie des Lichtton-Ver-
fahrens eine wesentliche Rolle, die es ermöglichte, die Aufnahmen ohne Umspielen
direkt zu verwerten (vgl. Wedel, „Musikfilm und Musiktheater“, 206).
23 Vgl. Wahl, Sprachversionsfilme aus Babelsberg, 53.
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spiel“ und nicht etwa „Tonfilmoperette“ wird zudem deutlich, dass das
Theater für die zeitgenössischen Rezipienten der Ankündigung, die auch
das Kinopublikum darstellten, als maßgebliche Referenzgattung galt. Der
faktische Medienwechsel zwischen Operette und Tonfilmoperette tritt in
dieser Ankündigung somit in den Hintergrund.
Tonfilmschlager wurden nicht nur innerhalb des deutschsprachigen
Raums, sondern in einem internationalen Kontext verbreitet. Dabei wur-
den allerdings neben der für den deutschen Tonfilm wichtigen Märkte
Frankreich oder Italien, auch kleinere Nischenmärkte in den Distributi-
onsprozess miteinbezogen: So fand der von Friedrich Hollaender kompo-
nierte Tonfilmschlager „Wie hab‘ ich nur leben können ohne dich“ aus der
Ufa-Tonfilmoperette Ich und die Kaiserin (1933)21 als Schallplattenaufnahme
(jeweils gesungen von Lilian Harvey, der Hauptdarstellerin des Films) nicht
nur Eingang in den französischen („Jamais je ne pourrais vivre loin de toi“)
oder den englischen Markt („But for You“), sondern in einer Interpretati-
on („Elada kuis ma küll võisin“) von Artur Rinne auch in den estnischen.22
Die Praxis des Sprachversionsfilms muss in Verbindung mit dieser
breiten Distribution der Tonfilmschlager gesehen werden, die v. a. Anfang
der 1930er Jahre die wichtigste Möglichkeit für eine internationale Verbrei-
tung des deutschen Tonfilms darstellte. Die Technik der Synchronisati-
on war zu dieser Zeit noch nicht ausgereift, weshalb zunächst ästhetische
Gründe gegen die Anwendung des Synchronisationsverfahrens sprachen.23
Bei einem Sprachversionsfilm wurden (meist an einem Produktionsstand-
ort) parallel (oder in kurzem zeitlichen Abstand zueinander) mehrere Ver-
sionen eines Films mit unterschiedlichen Schauspielern für die jeweiligen
Märkte produziert. Dieses ebenfalls von der Ufa entwickelte Modell war
in der Tonfilmoperette u. a. mittels Stars wie Lilian Harvey verstärkt in der Ver-
marktung eingesetzt.
21 Bei Ich und die Kaiserin handelte es sich ebenso um einen Sprachversionsfilm, wobei
Lilian Harvey aufgrund ihrer Mehrsprachigkeit in allen Versionen (dt., engl., franz.)
die Hauptrolle spielte. In Österreich erschien der Film unter dem Titel Das Strumpf
band der Kaiserin.
22 „Wie hab’ ich nur leben können ohne dich?“, Lilian Harvey (Gesang), Otto Dobrindt
(Dirigent), Odeon-Künstler-Orchester, 1932 [Odeon O-11779, B-Seite]; „Jamais je ne
pourrais vivre loin de toi“, Lilian Harvey (Gesang), 1933 [Parlophone 22.953, B-Sei-
te]; „But for You“, Lilian Harvey (Gesang), Otto Dobrindt (Dirigent), 1934 [Parlo-
phone R 1557, B-Seite] und „Elada kuis ma küll võisin“, Artur Rinne (Gesang), 1934
[Bellacord Electro 2099, B-Seite]. Hierbei spielte die Technologie des Lichtton-Ver-
fahrens eine wesentliche Rolle, die es ermöglichte, die Aufnahmen ohne Umspielen
direkt zu verwerten (vgl. Wedel, „Musikfilm und Musiktheater“, 206).
23 Vgl. Wahl, Sprachversionsfilme aus Babelsberg, 53.
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