Page 76 - Weiss, Jernej, ur./ed. 2021. Opereta med obema svetovnima vojnama ▪︎ Operetta between the Two World Wars. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 5
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opereta med obema svetovnima vojnama
„Tiefland“ europaweit Furore gemacht hatte und weitere 20 Opern sowie
Orchesterwerke, Klavier- und Kammermusik verfaßte, war angesichts sei-
ner „seichten“, bisweilen nahe am Kitsch angesiedelten Musiksprache im-
mer wieder Ziel der Kritik geworden, und Paul Schwers hatte sie mit bis-
sig-ironischen Worten formuliert. Seine „Beleidigungen“ dokumentieren
aber nicht nur seine negative Einschätzung des Komponisten Eugen d’Al-
bert, sondern vor allem auch seine Sicht der Genres „Operette“ und „Film-
musik“ als gleichsam minderwertige Formen der Musik. Daß diese Sicht
durchaus weitverbreitet war, dokumentiert eine Glosse aus dem Jahr 1930,
als deren Stoßrichtung eindeutig die Operettenkomponisten ausgemacht
werden können.
Böse Zungen behaupten – und sie sollen nicht so ganz unrecht da
mit haben –, daß manche Komponisten, die mit der heiteren Muse
ein Verhältnis haben, nicht immer die ganze Arbeit allein leisten.
Meist soll es die Orchesterpartitur sein, deren Ausführung ande
ren Fachleuten überlassen wird, es soll aber auch schon vorgekom
men sein, daß solche Tondichter ihrem heimlichen Hauskomponi
sten eine Melodie vorgepfiffen haben, die dieser dann in Form einer
regelrechten Musiknummer zu Papier brachte.3
Solche und ähnliche Pamphlete führten sowohl dazu, daß sich die For-
derungen nach einer Verlängerung der Schutzfrist zuerst vor allem an „zu
schützenden“ Operetten entzündeten, als auch, daß die Filmmusik lange
nicht als Kunstwerk eines Komponisten, sondern als Teil des technischen
Equipments des „Erzeugnisses“ Film angesehen wurde.
Andererseits wurde fallweise auch kritisiert, daß häufig gespielte Ope-
retten extrem hohe Summen an Tantiemen eintrugen, während „seriöse“
Kunst gleichsam „brotlos“ blieb. So auch in einem Artikel in der Wiener
Tageszeitung Der Tag, der die enormen Einnahmen der Witwe eines pro-
minenten Operettenkomponisten mit der ärmlichen Situation eines pro-
minenten „großen“ deutschen Dichters vergleicht und dann den folgenden
Kommentar anschließt:
Sind wir alle verrückt oder ist nur das Zeitalter verrückt, in dem
wir leben?
Oder ist es nicht verrückt, wenn ich Montag von der Witwe eines
Halbgebildeten gefragt werde, wie sie die Milliarden anlegen soll,
3 Neues Wiener Journal 38, Nr. 13.065 (5. April 1930): 12.
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„Tiefland“ europaweit Furore gemacht hatte und weitere 20 Opern sowie
Orchesterwerke, Klavier- und Kammermusik verfaßte, war angesichts sei-
ner „seichten“, bisweilen nahe am Kitsch angesiedelten Musiksprache im-
mer wieder Ziel der Kritik geworden, und Paul Schwers hatte sie mit bis-
sig-ironischen Worten formuliert. Seine „Beleidigungen“ dokumentieren
aber nicht nur seine negative Einschätzung des Komponisten Eugen d’Al-
bert, sondern vor allem auch seine Sicht der Genres „Operette“ und „Film-
musik“ als gleichsam minderwertige Formen der Musik. Daß diese Sicht
durchaus weitverbreitet war, dokumentiert eine Glosse aus dem Jahr 1930,
als deren Stoßrichtung eindeutig die Operettenkomponisten ausgemacht
werden können.
Böse Zungen behaupten – und sie sollen nicht so ganz unrecht da
mit haben –, daß manche Komponisten, die mit der heiteren Muse
ein Verhältnis haben, nicht immer die ganze Arbeit allein leisten.
Meist soll es die Orchesterpartitur sein, deren Ausführung ande
ren Fachleuten überlassen wird, es soll aber auch schon vorgekom
men sein, daß solche Tondichter ihrem heimlichen Hauskomponi
sten eine Melodie vorgepfiffen haben, die dieser dann in Form einer
regelrechten Musiknummer zu Papier brachte.3
Solche und ähnliche Pamphlete führten sowohl dazu, daß sich die For-
derungen nach einer Verlängerung der Schutzfrist zuerst vor allem an „zu
schützenden“ Operetten entzündeten, als auch, daß die Filmmusik lange
nicht als Kunstwerk eines Komponisten, sondern als Teil des technischen
Equipments des „Erzeugnisses“ Film angesehen wurde.
Andererseits wurde fallweise auch kritisiert, daß häufig gespielte Ope-
retten extrem hohe Summen an Tantiemen eintrugen, während „seriöse“
Kunst gleichsam „brotlos“ blieb. So auch in einem Artikel in der Wiener
Tageszeitung Der Tag, der die enormen Einnahmen der Witwe eines pro-
minenten Operettenkomponisten mit der ärmlichen Situation eines pro-
minenten „großen“ deutschen Dichters vergleicht und dann den folgenden
Kommentar anschließt:
Sind wir alle verrückt oder ist nur das Zeitalter verrückt, in dem
wir leben?
Oder ist es nicht verrückt, wenn ich Montag von der Witwe eines
Halbgebildeten gefragt werde, wie sie die Milliarden anlegen soll,
3 Neues Wiener Journal 38, Nr. 13.065 (5. April 1930): 12.
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