Page 221 - Stati inu obstati, revija za vprašanja protestantizma, letnik XV (2019), številka 30, ISSN 2590-9754
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povzetki, synopses, ZUSAMMENFASSUNGEN
Blahoslav absolvierte seine Ausbildung an den böhmischen Brüderschulen, aber
auch an der Lateinschule in Goldberg, an Universitäten im deutschen Raum (Witten-
berg, Königsberg, Basel) und formte sich intellektuell auch durch Kontakte zu angesehe-
nen Humanisten seiner Zeit. Als christlicher Humanist wollte er, dass der Glaube an den
Erlöser und die Frömmigkeit harmonisch mit der besten Ausbildung, die ein Christ zu
jener Zeit erlangen konnte, Hand in Hand gehen. Sein Konzept des christlichen Huma-
nismus rückte einen gelehrten Christen in den Vordergrund, der die Aufgabe hat, sein
Wissen und seine Fähigkeiten durch Lernen und Wissen stets bewusst und wirksam zu
vertiefen und zu verfeinern. Somit sei er in der Lage, auch mit gebildeten „Evangelium-
skritikern“ einen effektiven Dialog zu führen.
Die Geschichte der allgemeinen Kirche sowie die der Böhmischen Brüder als ihr be-
sonderer Teil, betrachtete Blahoslav als Geschichte der Manifestationen des Auserwähl-
tseins, als das Erscheinen auserwählter Personen im Laufe der Geschichte, vom Sünden-
fall und dem Verlust der Gnade Gottes bis zur Erlösung. Dabei war er der Meinung, dass
der Allmächtige die ganze Zeit die Glieder seiner Kirche auf dieser Welt gehabt habe
und sie bis ans Ende der Welt haben würde, obwohl wahre Gläubige in unterschied-
lichen historischen Perioden unter einer Vielzahl Anderer in einer Menschenmen-
ge nicht immer leicht zu erkennen seien. So hat Blahoslav das Existenzrecht der Böh-
mischen Brüder nicht aus der Entwicklung der Kirche, ihren bezeugten historischen
Strukturmerkmalen und historischen Brüchen abgeleitet, sondern aus der Auserwäh-
lung der Gläubigen. Der Motor der Geschichte (der Kirche) ist also nicht der Mensch
mit seinen Vorsätzen, Schlussfolgerungen, Misserfolgen, Verwicklungen und Wirren,
sondern Gott mit seiner schöpferischen und heilsamen Initiative – er ist es, der das Rad
der Geschichte in allen historischen Epochen und auf allen Meridianen der Welt dreht
und somit seine Kirche auf immer aufrechterhält. Blahoslav glaubte, dass die Kirche
Gottes in bestimmten Zeitabschnitten verborgen und anonym bleibe, doch sie sei im-
mer nur eine Minderheitskirche, und nur mit dem Blick „im Rückspiegel“ erscheine sie
als wahre Institution Gottes.
Blahoslavs Bibelübersetzung kennt nicht nur die zeitgenössischen humanistischen
Übersetzungsansätze, sondern zeigt auch ein spezifisches Verständnis des Status der bi-
blischen Sprache. Diesem schrieb der Übersetzer eine besonders feierliche und erhabe-
ne Bedeutung zu, die in einem angemessen hohen böhmischen Sprachstil ausgedrückt
werden müsse, ohne Ausdrücke, die seiner Meinung nach zu jener Zeit als umgangs-
sprachlich galten. Solche Ansichten artikulierte Blahoslav in seiner Grammatik (1571),
nachdem er sie bereits in der Übersetzung des Neuen Testaments (Nový zákon, 1564,
1568) eingeführt hatte. Bei der biblischen Übersetzung wurde Blahoslav vor allem von
systematischen und praktischen theologischen Prinzipien geleitet, nach denen er die
Wörter und Ausdrücke wählte. Er ästhetisierte und intellektualisierte den böhmischen
Bibeltext und hat mit seiner bewussten Entscheidung für einen anspruchsvolleren, äs-
thetisch gewählten Sprachgebrauch, der sich entscheidend und durch die Jahrhunder-
te immer mehr von dem üblichen böhmischen Sprachgebrauch unterschied, das Bild
der tschechischen Sprache bis heute grundlegend geprägt, denn sein Neues Testament

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