Page 241 - Weiss, Jernej, ur./ed. 2025. Glasbena interpretacija: med umetniškim in znanstvenim┊Music Interpretation: Between the Artistic and the Scientific. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 8
        P. 241
     Weiss, Jernej, ur. 2025. Glasbena interpretacija: med umetniškim in znanstvenim | Music Interpretation: Between the Artistic and the Scientific.
                         Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. https://doi.org/10.26493/978-961-293-425-5.241-262
                         © 2025 Pavle Krstic
                 Analyse des Rhythmus als Mittel der Interpretation
                 in der Musik von Chopin
                 Pavle Krstic
                 Univerza Mozarteum Salzburg
                 Mozarteum University Salzburg (PhD Student)
            Trotz des in den letzten Jahrzehnten gestiegenen Interesses der Musikwis-
            senschaft an Studien zum Thema der Verbindung von musikalischer Ana-
            lyse und Interpretation ist immer noch eine Kluft zwischen der Theorie und
            der performativen Praxis zu beobachten. Dieser Aufsatz stellt einen Teil ei-
            nes größeren Dissertationsprojektes dar, das als Ziel hat, einen Beitrag zur
            Überwindung dieser Kluft zu leisten, indem die möglichen Auswirkungen
            der musikanalytischen Erkenntnisse auf die interpretatorischen Entschei-
            dungen am Beispiel der Klaviermusik von Frédéric Chopin untersucht und
            aufgezeigt werden. Hier wird der Aspekt der Rhythmik herausgegriffen, da
            er sich aufgrund seiner relativen analytischen Einfachheit im vorgegebe-
            nen Platz verarbeiten lässt. Der Aufsatz sollte zeigen, dass selbst bei diesem
            scheinbar offensichtlichen und im Notat verankerten musikalischen Para-
            meter verschiedene tiefgründige analytische Überlegungen, die zu inter-
            pretatorischen Entscheidungen führen, möglich sind.
                 Obwohl der Rhythmus im Notat festgeschrieben zu sein scheint, zeigt
            jede musikalische Aufführung, dass dies nur bis zu einem gewissen Grad
            zutrifft, denn, wie Stein erkennt, stellt der notierte Rhythmus nur eine An-
            näherung an die tatsächlichen Proportionen der Tondauer dar.  Dazu tra-
                                                                      1
            gen Tempoänderungen, expressive Agogik oder gar die menschliche Unge-
            nauigkeit bei. Hinzu kommen weitere interpretatorische Entscheidungen,
            wie etwa ob man die punktierte Achtel mit einer Sechzehntel mehr oder
            1    Erwin Stein, Musik: Form und Darstellung (München: Piper, 1964), 43.
                                                                              241
     	
