Page 44 - Weiss, Jernej, ur. 2017. Glasbene migracije: stičišče evropske glasbene raznolikosti - Musical Migrations: Crossroads of European Musical Diversity. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 1
P. 44
glasbene migracije: stičišče evropske glasbene raznolikosti
angeboten („queste fu, queste fu“, bzw. „son fu, son fu“), können aber auch
nur zur Probe mitgenommen werden: „pigliare“ erklingt mehrmals fast be-
schwörend (Notenbeispiel 7). Auch dieses Stück steht im „gelassenen bzw.
heiteren“ hypomixolydischen Modus.
Auch das weitaus größer angelegte dialogische Madrigal „O là, o che
bon echo“19 ist 1581 in dem „Libro de villanelle, moresche, et altre canzo-
ni“ erschienen, und gleichsam selbstverständlich bedient sich Lasso hier
wieder des hypomixolydischen Modus. Ebenso ist die von volkstümlichen
Formen wie der Villanella übernommene homophone Akkordik präsent,
wobei das stufenweise Höherstellen drängender Fragen wie „perchè?“ bzw.
„perchè no?“ von der Finalis „g“ zur „clausula peregrina“ „a“ als besonderer,
weil eigentlich verbotener bzw. Negatives versinnbildlichender Kunstgriff
zu gelten hat (Notenbeispiel 8). Und um die Brisanz dieser abgeschlagenen
Bitte (ein Lied zu singen) dann, wenn der Satz wieder zum authentischen
Ténor „d“ zurückgeht, noch einmal besonders herauszustreichen, über-
schreitet der Tenor bei „(perchè) non (voglio)“ das einzige Mal seinen er-
laubten Ambitus: er singt das f1. Seine Oktav reicht von d bis d1, das e1 ist
noch erlaubt, das f1 schon zu hoch – und daher fällt sein „non“ extrem auf.
Außer diesem „f“ gibt es nur mehr eine einzige Ambitus-Überschreitung:
im drittletzten Takt singt der Sopran ein tiefes „h“. Sein tiefster erlaubter
Ton ist das „c“, aber für das Wort „basta“ ist dieser zu tiefe Ton genau rich-
tig: „basta“. – Von Interesse ist hier auch noch, daß Lasso viele Aussagen
auf die Stufe „f“ stellt, doch bei genauem Hinsehen sind dies immer beson-
ders „volkstümliche“ Inhalte. Auf dem „f“ wird der „bon compagno“ an-
gesprochen, aber auch (wie in „Matona mia cara“) der „gran poltron“, und
schließlich ist auch der Abschied von ihm kurz auf dem „f“ angesiedelt, ehe
sich das Geschehen der Finalis zubewegt.
Dem f-hypolydischen Modus gehört das in derselben Sammlung pos-
tierte berühmte Landsknechtständchen an, das mit traditionellen Melodie
bildungen und deutschen Wortbrocken wie „lantze“ arbeitende20 „Mato-
na mia cara“21; und dieser Modus war laut Christoph Bernhard „nicht gar
zu fröhlich noch gar zu lieblich [...] und daher nach der alten Meynung zur
19 Ebenda, S. 140–143 (Nr. IV, 23.). Aus Platzgründen entnahmen wir unser Noten-
beispiel aus: Ars musica. Ein Musikwerk für höhere Schulen. Band IV. Chorbuch für
gemischte Stimmen, hrsg. von Gottfried Wolters (Wolfenbüttel–Zürich: Möseler,
1965), S. 52f.
20 Siehe Boetticher, Orlando di Lasso und seine Zeit 1532–1594, S. 60.
21 Lasso, Madrigale 5, S. 93-97 (Nr. IV, 12.). Aus Platzgründen entnahmen wir unser
Notenbeispiel aus: Ars musica IV, S. 53-55.
42
angeboten („queste fu, queste fu“, bzw. „son fu, son fu“), können aber auch
nur zur Probe mitgenommen werden: „pigliare“ erklingt mehrmals fast be-
schwörend (Notenbeispiel 7). Auch dieses Stück steht im „gelassenen bzw.
heiteren“ hypomixolydischen Modus.
Auch das weitaus größer angelegte dialogische Madrigal „O là, o che
bon echo“19 ist 1581 in dem „Libro de villanelle, moresche, et altre canzo-
ni“ erschienen, und gleichsam selbstverständlich bedient sich Lasso hier
wieder des hypomixolydischen Modus. Ebenso ist die von volkstümlichen
Formen wie der Villanella übernommene homophone Akkordik präsent,
wobei das stufenweise Höherstellen drängender Fragen wie „perchè?“ bzw.
„perchè no?“ von der Finalis „g“ zur „clausula peregrina“ „a“ als besonderer,
weil eigentlich verbotener bzw. Negatives versinnbildlichender Kunstgriff
zu gelten hat (Notenbeispiel 8). Und um die Brisanz dieser abgeschlagenen
Bitte (ein Lied zu singen) dann, wenn der Satz wieder zum authentischen
Ténor „d“ zurückgeht, noch einmal besonders herauszustreichen, über-
schreitet der Tenor bei „(perchè) non (voglio)“ das einzige Mal seinen er-
laubten Ambitus: er singt das f1. Seine Oktav reicht von d bis d1, das e1 ist
noch erlaubt, das f1 schon zu hoch – und daher fällt sein „non“ extrem auf.
Außer diesem „f“ gibt es nur mehr eine einzige Ambitus-Überschreitung:
im drittletzten Takt singt der Sopran ein tiefes „h“. Sein tiefster erlaubter
Ton ist das „c“, aber für das Wort „basta“ ist dieser zu tiefe Ton genau rich-
tig: „basta“. – Von Interesse ist hier auch noch, daß Lasso viele Aussagen
auf die Stufe „f“ stellt, doch bei genauem Hinsehen sind dies immer beson-
ders „volkstümliche“ Inhalte. Auf dem „f“ wird der „bon compagno“ an-
gesprochen, aber auch (wie in „Matona mia cara“) der „gran poltron“, und
schließlich ist auch der Abschied von ihm kurz auf dem „f“ angesiedelt, ehe
sich das Geschehen der Finalis zubewegt.
Dem f-hypolydischen Modus gehört das in derselben Sammlung pos-
tierte berühmte Landsknechtständchen an, das mit traditionellen Melodie
bildungen und deutschen Wortbrocken wie „lantze“ arbeitende20 „Mato-
na mia cara“21; und dieser Modus war laut Christoph Bernhard „nicht gar
zu fröhlich noch gar zu lieblich [...] und daher nach der alten Meynung zur
19 Ebenda, S. 140–143 (Nr. IV, 23.). Aus Platzgründen entnahmen wir unser Noten-
beispiel aus: Ars musica. Ein Musikwerk für höhere Schulen. Band IV. Chorbuch für
gemischte Stimmen, hrsg. von Gottfried Wolters (Wolfenbüttel–Zürich: Möseler,
1965), S. 52f.
20 Siehe Boetticher, Orlando di Lasso und seine Zeit 1532–1594, S. 60.
21 Lasso, Madrigale 5, S. 93-97 (Nr. IV, 12.). Aus Platzgründen entnahmen wir unser
Notenbeispiel aus: Ars musica IV, S. 53-55.
42