Page 46 - Weiss, Jernej, ur. 2017. Glasbene migracije: stičišče evropske glasbene raznolikosti - Musical Migrations: Crossroads of European Musical Diversity. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 1
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glasbene migracije: stičišče evropske glasbene raznolikosti

bzw. „kannst fröhlich sein und lachen mit ihm bei Tag und Nacht“.24 (Weil
offensichtlich just der Widder ein besonderer Tänzer ist.)

Da ich annehme, daß Sie alle diese Stücke kennen, wenn auch viel-
leicht mit falschem Text, kann ich mich hier der Tonbeispiele enthalten,
wobei doch erwähnt werden muß, daß Lasso auch weniger derbe italie-
nische Madrigale verfaßt hat. Die grundsätzlichen Stilelemente sind aber
auch bei ihnen dieselben: häufiges parlando-artiges Deklamieren, ein deut-
liches Überwiegen der Homophonie sowie harmonische Verläufe, die die
strengen Regeln des Kontrapunkts zugunsten der neuen Volkstümlichkeit
über Bord werfen. Was das Einhalten der modalen Regeln betrifft, greift
Lasso aber selten zu größeren Freiheiten.

Wir kommen zum „französischen“ Lasso, der spätestens in Antwer-
pen mit französischen Chansons in Berührung kam und insbesondere de-
ren knappe Imitationen sowie Engführungen, aber auch die deklamato-
risch eingesetzten „Akkordsäulen“ und nachzeichnenden Melodieverläufe
dieser Gattung in seine eigenen Werke übernahm. Auch die bedeutende
Funktion der Kadenzen findet sich in seinen Kompositionen: Bisweilen
verschleiern sie die Textabschnitte durch ein Übereinander von Abschluß
und neuem Abschnitt, manchmal trennen sie die beiden Elemente ostenta-
tiv, und zwar meist aus inhaltlichen Gründen. Und schließlich sei der von
Adolf Sandberger so genannte „gallische Konversationston“25 erwähnt, der
von einem ganz speziellen Esprit erfüllt ist. – Unnötig zu sagen, daß es auch
in Lassos französischen Werken zahlreiche Texte gibt, die als unzüchtig
empfunden und als abschreckendes Beispiel für „libri editi indigni“ hinge-
stellt wurden; und so hat man auch vielen dieser Werke gesäuberte oder gar
geistliche Texte unterlegt.

Blicken wir nun in ein „typisches“ Werk: „Quand mon mary vient
de dehors“26, erstmals 1564 von Tilman Susato veröffentlicht. „Wenn mein
Mann nach Hause kommt, werde ich verprügelt.“ Dem Text entsprechend
steht das Werk im als „klagend und düster“27 bzw. als „kläglich, demüthig“

24 Die „gereinigte“ Übersetzung entstammt der in Anm. 21 zitierten und hier abgebil-
deten Ausgabe.

25 Adolf Sandberger, „Vorwort“, in: Orlando di Lasso, Sämtliche Werke. Zwölfter Band.
Kompositionen mit französischem Text, hrsg. von Adolf Sandberger, Erster Teil
(Leipzig o. J., (1901?)), S. XXXVIII.

26 Ebenda, S. 23f. (Nr. 11). Aus Platzgründen entnahmen wir unser Notenbeispiel aus:
Europäische Madrigale für gemischte Stimmen I, hrsg. von Egon Kraus (Zürich,
1955), S. 38–41.

27 Laut dem Kärntner Musiktraktat aus dem Jahre 1430. Rauter, „Die Tonarten-
Charakteristik im Klagenfurter Musiktraktat“, S. 57.

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