Page 83 - Weiss, Jernej, ur. 2020. Konservatoriji: profesionalizacija in specializacija glasbenega dela ▪︎ The conservatories: professionalisation and specialisation of musical activity. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 4
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musikausbildung im post-habsburger raum
oft solche Liebhaberkonzerte den Auslöser zur Vereinsgründung,
so verschob sich der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit immer mehr in
Richtung musikpädagogischer (Musikvereinsschulen, Konservato-
rium) und organisatorischer (Veranstaltung von Konzerten) Auf-
gaben, die Entwicklung ging also in Richtung Professionalisierung
des Musiklebens.11
Denn könnte man bestätigen, daß das gut organisierte zu Habsburger
Periode österreichische Ausbildungssystem zusammen mit den günstigen
regionalen Umständen ein fester Grund für weitere fruchtbare Tätigkeit
der Musikausbildung in Lemberg und ganz Galizien legte. Damit vermut-
lich könnte man solches Phänomen erklären, wie trotz der Krise so erfolg-
reich wirkten in 20er und besonders in 30er Jahren nicht nur alle vier oben-
genannten führenden Musikhochschulen, sondern auch mehrere andere;
auf welche Weise können ihre Kollektiven und Solisten fast ganzes Musik-
leben der Stadt auf ihren Schultern tragen; welch eine Zauberkraft schützte
die Pädagoge und Studenten aller genannten Lehranstalten vor den natio-
nalen Konflikten, die in anderen gesellschaftlichen Schichten so hart ex-
plodierten. Meiner Meinung nach, die frühere, zu österreichischen Zeiten
gestaltete fruchtbare Zusammenarbeit in den verschiedenen Musikinstitu-
tionen, vor allem in den Hochschulen, hatte so tiefe Wurzeln und brachte
so gute Ergebnisse mit, daß auch später scheint man nicht vernünftig die-
ses Modell abzulehnen.
Am Ende führe ich manche überzeugende Beispiele, die die vorliegen-
den theoretischen Nachweisungen illustrieren sollten.
Man beginnt von dem Konservatorium des Polnischen Musikver-
eins, als der größten solcher Institution im Land. Die Zahl von Studenten
des Konservatoriums änderte sich von über 300 in Studienjahren 1933/34–
1937/38 bis 828 in 1924/25 und 1106 in 1927/28 Studienjahr. Bis 1929 führte
das Polnische Musikverein und sein Konservatorium Mieczysław Sołtys.
Er setzte fort und entwickelte erfolgreich die Traditionen seines Lehrers
und Vorgängers Karol Mikuli, gleichzeitig strukturierte das Lernprozeß,
führte neue Disziplinen und unterstützte vor allem die Aufführungen pol-
nischer Musik, darin auch der neuen Nationalmusik, gründete – gleich
nach dem Ende des Kriegs! – eine Opernschule. Sie wirkte von 1922 beim
Konservatorium PMV unter der Leitung des bekannten Sängers, des Solis-
ten Lemberger Oper, Professoren Czesław Zaremba. Als Dirigent genann-
11 Barbara Boisits, „Bürgerliche Musikkultur,“ in: Oesterreichisches Musiklexikon on-
line, https://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_B/Buergerliche_Musikkultur.xml.
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oft solche Liebhaberkonzerte den Auslöser zur Vereinsgründung,
so verschob sich der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit immer mehr in
Richtung musikpädagogischer (Musikvereinsschulen, Konservato-
rium) und organisatorischer (Veranstaltung von Konzerten) Auf-
gaben, die Entwicklung ging also in Richtung Professionalisierung
des Musiklebens.11
Denn könnte man bestätigen, daß das gut organisierte zu Habsburger
Periode österreichische Ausbildungssystem zusammen mit den günstigen
regionalen Umständen ein fester Grund für weitere fruchtbare Tätigkeit
der Musikausbildung in Lemberg und ganz Galizien legte. Damit vermut-
lich könnte man solches Phänomen erklären, wie trotz der Krise so erfolg-
reich wirkten in 20er und besonders in 30er Jahren nicht nur alle vier oben-
genannten führenden Musikhochschulen, sondern auch mehrere andere;
auf welche Weise können ihre Kollektiven und Solisten fast ganzes Musik-
leben der Stadt auf ihren Schultern tragen; welch eine Zauberkraft schützte
die Pädagoge und Studenten aller genannten Lehranstalten vor den natio-
nalen Konflikten, die in anderen gesellschaftlichen Schichten so hart ex-
plodierten. Meiner Meinung nach, die frühere, zu österreichischen Zeiten
gestaltete fruchtbare Zusammenarbeit in den verschiedenen Musikinstitu-
tionen, vor allem in den Hochschulen, hatte so tiefe Wurzeln und brachte
so gute Ergebnisse mit, daß auch später scheint man nicht vernünftig die-
ses Modell abzulehnen.
Am Ende führe ich manche überzeugende Beispiele, die die vorliegen-
den theoretischen Nachweisungen illustrieren sollten.
Man beginnt von dem Konservatorium des Polnischen Musikver-
eins, als der größten solcher Institution im Land. Die Zahl von Studenten
des Konservatoriums änderte sich von über 300 in Studienjahren 1933/34–
1937/38 bis 828 in 1924/25 und 1106 in 1927/28 Studienjahr. Bis 1929 führte
das Polnische Musikverein und sein Konservatorium Mieczysław Sołtys.
Er setzte fort und entwickelte erfolgreich die Traditionen seines Lehrers
und Vorgängers Karol Mikuli, gleichzeitig strukturierte das Lernprozeß,
führte neue Disziplinen und unterstützte vor allem die Aufführungen pol-
nischer Musik, darin auch der neuen Nationalmusik, gründete – gleich
nach dem Ende des Kriegs! – eine Opernschule. Sie wirkte von 1922 beim
Konservatorium PMV unter der Leitung des bekannten Sängers, des Solis-
ten Lemberger Oper, Professoren Czesław Zaremba. Als Dirigent genann-
11 Barbara Boisits, „Bürgerliche Musikkultur,“ in: Oesterreichisches Musiklexikon on-
line, https://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_B/Buergerliche_Musikkultur.xml.
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