Page 101 - Weiss, Jernej, ur./ed. 2021. Opereta med obema svetovnima vojnama ▪︎ Operetta between the Two World Wars. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 5
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erich wolfgang korngold – hin- und hergerissen zwischen u- und e-musik
den Gesangsnummern, hier hat Korngold Einiges gestrichen und ersetzt,
meist mit Strauß'schen Kompositionen aus anderen Werken. Als Resümee
eines eingehenderen Vergleichs ist festzuhalten, dass die bunte Posse von
Zell/Genée/Strauß, einen reichen Bilderbogen urwüchsiger Gestalten, von
Herzer/Korngold im Sinne eines psychologisch schlüssigen Dramas umge-
staltet und musikalisch gewichtiger gefasst worden ist. Die politischen An-
spielungen seien wenigstens erwähnt: Wurde bei der Originalfassung 1875
die Gegnerschaft von den Türken auf die Franzosen übertragen, so ging es
in der Korngold-Fassung 1927 gegen den verderblichen Einfluss des ameri-
kanischen Jazz, der „Negermusik“.12 Die Grenzen zwischen E- und U-Mu-
sik begannen sich zu verschieben.
In seinen Operettenbearbeitungen arbeitete Korngold mit sehr promi-
nenten Persönlichkeiten zusammen: 1923 (Eine Nacht in Venedig) mit Ernst
Marischka, 1927 (Cagliostro in Wien) und 1931 (Das Lied der Liebe) mit Lud-
wig Herzer, 1929 (Die Fledermaus) mit Carl Rössler und Marcellus Schif-
fer, 1930 (Walzer aus Wien) mit Alfred Maria Willner, Heinz Reichert und
Ernst Marischka sowie Julius Bittner, der die Musik zusammenstellte, 1931
(Die schöne Helena) mit Egon Friedell und Hanns Sassmann. Am wichtigs-
ten wurde die Zusammenarbeit mit Max Reinhardt, der die Operetten Die
Fledermaus (1929) und Die schöne Helena (1931) szenisch bearbeitete, denn
der berühmte Regisseur holte Korngold 1934 für die Musik seiner Verfil-
mung von Shakespeares Sommernachtstraum nach Hollywood. Der mit
großem Staraufgebot und aufwendiger Reklame präsentierte Film wur-
de leider für Max Reinhardt zu einem Fiasko, es blieb sein einziger Film,
für Korngold dagegen zum Sprungbrett als Pionier der Filmmusik. 1936
fuhr er mit seiner Frau Luzi und den beiden Söhnen nach Hollywood, 1938
rettete er auch seine Eltern und Luzis Familie aus „Großdeutschland“ vor
dem Holokaust. Mit seinen filmmusikalischen Arbeiten hob er das gesamte
Genre auf ein ganz neues Niveau und erhielt in Hollywood sogar zweimal
(1937 und 1939) den Academy Award oder „Oscar“ für die beste Filmmusik.
Dass Erich Wolfgang sich nun ganz der Filmmusik verschrieb, ge-
schah gegen die Überzeugung des Vaters, der wetterte, dass sein Sohn sich
in die Hände „amerikanischer Filmjuden“ begäbe, die von ihm nur „Nied-
rigkeiten“ verlangen würden.13 Für Julius war Filmmusik nur eine „dienen-
12 Dazu einschlägige Belege bei Kevin Clarke, „Der Walzer erwacht – die Neger entflie-
hen“, insbesondere 19–25.
13 Lis Malina, Hrsg., Dear Papa: how is you? Das Leben Erich Wolfgang Korngolds in
Briefen (Wien: Mandelbaum Verlag, 2017).
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den Gesangsnummern, hier hat Korngold Einiges gestrichen und ersetzt,
meist mit Strauß'schen Kompositionen aus anderen Werken. Als Resümee
eines eingehenderen Vergleichs ist festzuhalten, dass die bunte Posse von
Zell/Genée/Strauß, einen reichen Bilderbogen urwüchsiger Gestalten, von
Herzer/Korngold im Sinne eines psychologisch schlüssigen Dramas umge-
staltet und musikalisch gewichtiger gefasst worden ist. Die politischen An-
spielungen seien wenigstens erwähnt: Wurde bei der Originalfassung 1875
die Gegnerschaft von den Türken auf die Franzosen übertragen, so ging es
in der Korngold-Fassung 1927 gegen den verderblichen Einfluss des ameri-
kanischen Jazz, der „Negermusik“.12 Die Grenzen zwischen E- und U-Mu-
sik begannen sich zu verschieben.
In seinen Operettenbearbeitungen arbeitete Korngold mit sehr promi-
nenten Persönlichkeiten zusammen: 1923 (Eine Nacht in Venedig) mit Ernst
Marischka, 1927 (Cagliostro in Wien) und 1931 (Das Lied der Liebe) mit Lud-
wig Herzer, 1929 (Die Fledermaus) mit Carl Rössler und Marcellus Schif-
fer, 1930 (Walzer aus Wien) mit Alfred Maria Willner, Heinz Reichert und
Ernst Marischka sowie Julius Bittner, der die Musik zusammenstellte, 1931
(Die schöne Helena) mit Egon Friedell und Hanns Sassmann. Am wichtigs-
ten wurde die Zusammenarbeit mit Max Reinhardt, der die Operetten Die
Fledermaus (1929) und Die schöne Helena (1931) szenisch bearbeitete, denn
der berühmte Regisseur holte Korngold 1934 für die Musik seiner Verfil-
mung von Shakespeares Sommernachtstraum nach Hollywood. Der mit
großem Staraufgebot und aufwendiger Reklame präsentierte Film wur-
de leider für Max Reinhardt zu einem Fiasko, es blieb sein einziger Film,
für Korngold dagegen zum Sprungbrett als Pionier der Filmmusik. 1936
fuhr er mit seiner Frau Luzi und den beiden Söhnen nach Hollywood, 1938
rettete er auch seine Eltern und Luzis Familie aus „Großdeutschland“ vor
dem Holokaust. Mit seinen filmmusikalischen Arbeiten hob er das gesamte
Genre auf ein ganz neues Niveau und erhielt in Hollywood sogar zweimal
(1937 und 1939) den Academy Award oder „Oscar“ für die beste Filmmusik.
Dass Erich Wolfgang sich nun ganz der Filmmusik verschrieb, ge-
schah gegen die Überzeugung des Vaters, der wetterte, dass sein Sohn sich
in die Hände „amerikanischer Filmjuden“ begäbe, die von ihm nur „Nied-
rigkeiten“ verlangen würden.13 Für Julius war Filmmusik nur eine „dienen-
12 Dazu einschlägige Belege bei Kevin Clarke, „Der Walzer erwacht – die Neger entflie-
hen“, insbesondere 19–25.
13 Lis Malina, Hrsg., Dear Papa: how is you? Das Leben Erich Wolfgang Korngolds in
Briefen (Wien: Mandelbaum Verlag, 2017).
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