Page 96 - Weiss, Jernej, ur./ed. 2021. Opereta med obema svetovnima vojnama ▪︎ Operetta between the Two World Wars. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 5
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opereta med obema svetovnima vojnama
Imgleichen ist der ihr [der Musik] wesentliche Ernst, welcher das
Lächerliche aus ihrem unmittelbar eigenen Gebiet ganz ausschließt,
daraus zu erklären, daß ihr Objekt nicht die Vorstellung ist, in Hin
sicht auf welche Täuschung und Lächerlichkeit allein möglich sind;
sondern ihr Objekt unmittelbar der Wille ist und dieser wesentlich
das Allerernsteste, als wovon alles abhängt.2
Dass die Operette nicht zu der so definierten Ernsten (E-) Musik zu
zählen ist, geht aus Schopenhauers Worten unmittelbar hervor, Täuschung
und Lächerlichkeit sind ja geradezu wesentliche Kennzeichen der Operet-
te. Es müssen hier nun nicht alle Gattungen der Unterhaltungsmusik (U-
Musik) aufgezählt werden, die unter das Verdikt der Minderwertigkeit ge-
fallen und als moralisch schädigend oftmals zumindest in privaten Kreisen
(beispielsweise in der Erziehung) verboten worden sind. Besonders virulent
wurde die Abgrenzung, als es im Deutschen Reich (und gleichzeitig auch
in Österreich) um kompositorische Verwertungsrechte ging. In der Folge
des Gesetzes zum Urheberrecht an Werken der Literatur und Tonkunst von
Januar 1902 gründeten nur ein Jahr später Richard Strauss, Hans Sommer
und Friedrich Rösch die Genossenschaft Deutscher Tonsetzer und sogleich
die Anstalt für musikalisches Aufführungsrecht (AFMA).3 Sie galten für die
Tonkunst, nicht etwas für angeblich mindere Gattungen der Musik (impli-
zit hatte sie bereits Schopenhauer aus dem Musikbegriff ausgeschlossen).
Vielmehr entwickelte sich in den folgenden Jahren, ja Jahrzehnten ein er-
bitterter Kampf zwischen E- und U-Musik um die musikalischen Verwer-
tungsrechte, in dem Richard Strauss und Friedrich Rösch den berüchtigten
Ausdruck der „Afterkunst“ verwendeten. Wie heftig auch Arnold Schön-
berg eine Zusammenarbeit mit Unterhaltungskomponisten ablehnte, hat er
1931 in einem Brief an Max Butting zum Ausdruck gebracht:
Es ist unmöglich im gleichen Geschäft Perlen, Diamanten, Radium
und sonstige teure Dinge zu handeln, wo auch Stecknadeln, alte
Hosen und Ramschware verkauft werden. Und es wird nie mög
lich sein, eine Arbeit, die so viel Zeit erfordert wie die Kontrolle
der Schlager und Versageraufführungen zu verrichten, und dane
2 Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, 3. Aufl. (Leipzig: Brock-
haus, 1859), 312. Schopenhauer verwandte den Ausdruck Tonkunst noch nicht.
3 Albrecht Dümling, Musik hat ihren Wert. 100 Jahre musikalische Verwertungsge
sellschaft in Deutschland (Regensburg: ConBrio Verlagsgesellschaft, 2003).
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Imgleichen ist der ihr [der Musik] wesentliche Ernst, welcher das
Lächerliche aus ihrem unmittelbar eigenen Gebiet ganz ausschließt,
daraus zu erklären, daß ihr Objekt nicht die Vorstellung ist, in Hin
sicht auf welche Täuschung und Lächerlichkeit allein möglich sind;
sondern ihr Objekt unmittelbar der Wille ist und dieser wesentlich
das Allerernsteste, als wovon alles abhängt.2
Dass die Operette nicht zu der so definierten Ernsten (E-) Musik zu
zählen ist, geht aus Schopenhauers Worten unmittelbar hervor, Täuschung
und Lächerlichkeit sind ja geradezu wesentliche Kennzeichen der Operet-
te. Es müssen hier nun nicht alle Gattungen der Unterhaltungsmusik (U-
Musik) aufgezählt werden, die unter das Verdikt der Minderwertigkeit ge-
fallen und als moralisch schädigend oftmals zumindest in privaten Kreisen
(beispielsweise in der Erziehung) verboten worden sind. Besonders virulent
wurde die Abgrenzung, als es im Deutschen Reich (und gleichzeitig auch
in Österreich) um kompositorische Verwertungsrechte ging. In der Folge
des Gesetzes zum Urheberrecht an Werken der Literatur und Tonkunst von
Januar 1902 gründeten nur ein Jahr später Richard Strauss, Hans Sommer
und Friedrich Rösch die Genossenschaft Deutscher Tonsetzer und sogleich
die Anstalt für musikalisches Aufführungsrecht (AFMA).3 Sie galten für die
Tonkunst, nicht etwas für angeblich mindere Gattungen der Musik (impli-
zit hatte sie bereits Schopenhauer aus dem Musikbegriff ausgeschlossen).
Vielmehr entwickelte sich in den folgenden Jahren, ja Jahrzehnten ein er-
bitterter Kampf zwischen E- und U-Musik um die musikalischen Verwer-
tungsrechte, in dem Richard Strauss und Friedrich Rösch den berüchtigten
Ausdruck der „Afterkunst“ verwendeten. Wie heftig auch Arnold Schön-
berg eine Zusammenarbeit mit Unterhaltungskomponisten ablehnte, hat er
1931 in einem Brief an Max Butting zum Ausdruck gebracht:
Es ist unmöglich im gleichen Geschäft Perlen, Diamanten, Radium
und sonstige teure Dinge zu handeln, wo auch Stecknadeln, alte
Hosen und Ramschware verkauft werden. Und es wird nie mög
lich sein, eine Arbeit, die so viel Zeit erfordert wie die Kontrolle
der Schlager und Versageraufführungen zu verrichten, und dane
2 Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, 3. Aufl. (Leipzig: Brock-
haus, 1859), 312. Schopenhauer verwandte den Ausdruck Tonkunst noch nicht.
3 Albrecht Dümling, Musik hat ihren Wert. 100 Jahre musikalische Verwertungsge
sellschaft in Deutschland (Regensburg: ConBrio Verlagsgesellschaft, 2003).
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