Page 97 - Weiss, Jernej, ur./ed. 2021. Opereta med obema svetovnima vojnama ▪︎ Operetta between the Two World Wars. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 5
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erich wolfgang korngold – hin- und hergerissen zwischen u- und e-musik
ben die Genauigkeit und feine Abschätzung für seltenere Ware zu
haben, wie sie die ernste Musik beansprucht.4
Erst die Nationalsozialisten setzten 1933 die Vereinigung der inzwi-
schen entstandenen, verschiedenen, konkurrierenden Interessenverbände
zu einem reichseinheitlichen Verband durch, der Staatlich genehmigten Ge
sellschaft zur Verwertung musikalischer Aufführungsrechte (STAGMA), seit
1947 geführt unter dem Namen Gesellschaft für musikalische Aufführungs-
und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA). Der erbitterte Kampf
zwischen U- und E-Musik ist allerdings erst gegen Ende des 20. Jahrhun-
derts abgeflaut, noch Adornos Hörertypologie zeugt von der Schärfe der
Auseinandersetzung. Überwunden ist er bis heute nicht.
Erich Wolfgang Korngold (1897–1957) hat in genau dieser Situation sei-
ne Sozialisierung erfahren, die sich zunächst ganz im Bereich der E-Musik
abspielte. Sein Vater Julius Korngold war seit 1902 Nachfolger von Eduard
Hanslick als Musikkritiker der „Neuen Freien Presse“ in Wien, als Leh-
rer unterrichteten ihn Robert Fuchs, Alexander von Zemlinsky und Her-
mann Graedener. Während Robert Fuchs und Hermann Graedener eher
der konservativen Richtung um Johannes Brahms zuzurechnen sind, war
Alexander von Zemlinsky ein Freund und Schwager Arnold Schönbergs,
ohne dessen Schritt in die Atonalität mitzuvollziehen. Julius Korngold
war ein scharfer Kritiker der Atonalität und der „Neumusik-ismen“5 und
nahm starken Einfluss auf seinen Sohn, den er als Wunderkind nach Kräf-
ten förderte. Trotzdem verstand sich Erich Wolfgang Korngold zunächst
als Vertreter der Moderne, seine Kompositionen wurden u. a. in Schön-
bergs Verein für musikalische Privataufführungen gespielt, vor allem aber
selbstverständlich als Vertreter der Ersten Musik. Spätestens in den 1930er
Jahren jedoch eskalierte der Streit innerhalb der E-Musik um die richtige
Richtung, ganz im Sinne einer religiösen Bewegung ging es um moralische
Werte, die den Neuerern weitgehend abgesprochen wurden. Mit seinen Vier
kleinen Karikaturen für Kinder op. 19 (komponiert 1926) wurde Erich Wolf-
gang Korngold, als sie 1931 erschienen in der konservativen Zeitschrift Mu
sikleben erschienen, endgültig zum Feindbild, karikieren sie doch Arnold
Schönberg (Kuckuck!), Igor Strawinsky (Zum Einschlummern), Béla Bar-
4 Arnold Schönberg, „Brief an Max Butting“, 1931, zitiert nach Art, Gesellschaft für
musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte.
5 Julius Korngold, Atonale Götzendämmerung. Kritische Beiträge zur Geschichte der
Neumusik-ismen (Wien: Doblinger, 1937).
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ben die Genauigkeit und feine Abschätzung für seltenere Ware zu
haben, wie sie die ernste Musik beansprucht.4
Erst die Nationalsozialisten setzten 1933 die Vereinigung der inzwi-
schen entstandenen, verschiedenen, konkurrierenden Interessenverbände
zu einem reichseinheitlichen Verband durch, der Staatlich genehmigten Ge
sellschaft zur Verwertung musikalischer Aufführungsrechte (STAGMA), seit
1947 geführt unter dem Namen Gesellschaft für musikalische Aufführungs-
und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA). Der erbitterte Kampf
zwischen U- und E-Musik ist allerdings erst gegen Ende des 20. Jahrhun-
derts abgeflaut, noch Adornos Hörertypologie zeugt von der Schärfe der
Auseinandersetzung. Überwunden ist er bis heute nicht.
Erich Wolfgang Korngold (1897–1957) hat in genau dieser Situation sei-
ne Sozialisierung erfahren, die sich zunächst ganz im Bereich der E-Musik
abspielte. Sein Vater Julius Korngold war seit 1902 Nachfolger von Eduard
Hanslick als Musikkritiker der „Neuen Freien Presse“ in Wien, als Leh-
rer unterrichteten ihn Robert Fuchs, Alexander von Zemlinsky und Her-
mann Graedener. Während Robert Fuchs und Hermann Graedener eher
der konservativen Richtung um Johannes Brahms zuzurechnen sind, war
Alexander von Zemlinsky ein Freund und Schwager Arnold Schönbergs,
ohne dessen Schritt in die Atonalität mitzuvollziehen. Julius Korngold
war ein scharfer Kritiker der Atonalität und der „Neumusik-ismen“5 und
nahm starken Einfluss auf seinen Sohn, den er als Wunderkind nach Kräf-
ten förderte. Trotzdem verstand sich Erich Wolfgang Korngold zunächst
als Vertreter der Moderne, seine Kompositionen wurden u. a. in Schön-
bergs Verein für musikalische Privataufführungen gespielt, vor allem aber
selbstverständlich als Vertreter der Ersten Musik. Spätestens in den 1930er
Jahren jedoch eskalierte der Streit innerhalb der E-Musik um die richtige
Richtung, ganz im Sinne einer religiösen Bewegung ging es um moralische
Werte, die den Neuerern weitgehend abgesprochen wurden. Mit seinen Vier
kleinen Karikaturen für Kinder op. 19 (komponiert 1926) wurde Erich Wolf-
gang Korngold, als sie 1931 erschienen in der konservativen Zeitschrift Mu
sikleben erschienen, endgültig zum Feindbild, karikieren sie doch Arnold
Schönberg (Kuckuck!), Igor Strawinsky (Zum Einschlummern), Béla Bar-
4 Arnold Schönberg, „Brief an Max Butting“, 1931, zitiert nach Art, Gesellschaft für
musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte.
5 Julius Korngold, Atonale Götzendämmerung. Kritische Beiträge zur Geschichte der
Neumusik-ismen (Wien: Doblinger, 1937).
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