Page 37 - Weiss, Jernej, ur./ed. 2021. Opereta med obema svetovnima vojnama ▪︎ Operetta between the Two World Wars. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 5
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arnold schönbergs verhältnis zur populären musik ...
mitglied der AKM und seit 1926 der Gesellschaft zur Hebung der Wiener
Volkskunst. Zum anderen glaubte er, daß er als katholischer ungarischer
Staatsbürger – Ungarn war damals ein wichtiger Verbündeter des Deut-
schen Reiches – kaum angreifbar wäre. Einen Höhepunkt in seiner Karri-
ere bildete die Uraufführung seines letzten Bühnenwerks Giuditta am 20.
Jänner 1934 an der Wiener Staatsoper gewesen, das von 120 Rundfunksen-
dern live übertragen und vom Publikum gefeiert wurde. Mit dieser Musika
lischen Komödie in fünf Bildern orientierte er sich an der veristischen Oper,
die ihn stets initiiert hatte und zu der er hier tendierte; im Textbuch lautet
die Gattung: Spieloper. Der vielfach begabte und tätige Fritz Löhner-Beda,
u. a. Librettist von Giuditta, promovierter Jurist, ausgezeichneter Sportler,
Gründungsmitglied und erster Präsident des jüdischen Wiener Sportver-
eins „Hakoah“, hatte sich trotz Warnungen wegen seiner Bekanntheit sicher
gefühlt, wurde aber bereits am Tag des Einmarsches der deutschen Truppen
in Österreich am 13. März 1938 festgenommen, nach Dachau, dann nach Bu-
chenwald deportiert und schließlich 1942 in Auschwitz umgebracht.23
Trotz dieser Beispiele aus unmittelbarer Umgebung blieb Lehár und
versuchte sich, so gut er konnte, zu arrangieren.24 Dabei erlebte er eine stän-
dige Gratwanderung zwischen Hoffnung und Angst. Eine große Chance
setzte Lehár auf seine künstlerischen Erfolge, vor allem durch Die lustige
Witwe. Sie wurde am 30. Dezember 1905 im Theater an der Wien urauf-
23 Günther Schwarberg, Dein ist mein ganzes Herz. Die Geschichte des Fritz Löhner-Be
da, der die schönsten Lieder der Welt schrieb, und warum Hitler ihn ermorden ließ
(Göttingen: Steidl, 2000).
24 Eine redaktionelle Ergänzung (H. K.) soll zeigen, wie weit dieses „Arrangieren“
Lehárs ging: Die AKM, deren Ehrenpräsident Lehár war, wurde im August 1938 auf-
gelöst und in die deutsche STAGMA übergeführt. Bei der letzten Generalversamm-
lung der AKM, bei der deren Auflösung und Überführung beschlossen wurde, un-
terstrich der Generaldirektor der STAGMA, Leo Ritter, laut dem Protokoll in seiner
Ansprache vor allem folgendes: „Auch die nationalsozialistische Partei fordere nach
strenger Pflichterfüllung des Tages am Abend Unterhaltung und Entspannung, ein
Erfordernis, welchem gerade die ostmärkische Unterhaltungsmusik besonders Rech
nung trage. Daher seien gerade die ostmärkischen Komponisten der [durchgestrichen:
Partei, hs. darüber:] Stagma sehr willkommen. In Würdigung dieser Tatsache habe
Herr Reichsminister Dr. Joseph Goebbels den Ehrenpräsidenten der staatlich geneh
migten Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger (AKM) reg. Ge
nossenschaft m.b.H., Meister Franz Lehar, in den Beirat der Stagma berufen als den
führenden deutschen Unterhaltungskomponisten, ja sogar als den grössten überhaupt
lebenden Unterhaltungskomponisten. (Lebhafter Beifall) Er freue sich, der Versamm
lung mitteilen zu können, dass Meister Franz Lehar dieser Berufung Folge geleistet
habe [...].“ Zit. nach: Hartmut Krones, Das Ende der „alten“ A.K.M. (März 1938), die
Gründung der „neuen“ AKM (Juni 1945) und die Folgen (Wien: AKM, 2014), 76.
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mitglied der AKM und seit 1926 der Gesellschaft zur Hebung der Wiener
Volkskunst. Zum anderen glaubte er, daß er als katholischer ungarischer
Staatsbürger – Ungarn war damals ein wichtiger Verbündeter des Deut-
schen Reiches – kaum angreifbar wäre. Einen Höhepunkt in seiner Karri-
ere bildete die Uraufführung seines letzten Bühnenwerks Giuditta am 20.
Jänner 1934 an der Wiener Staatsoper gewesen, das von 120 Rundfunksen-
dern live übertragen und vom Publikum gefeiert wurde. Mit dieser Musika
lischen Komödie in fünf Bildern orientierte er sich an der veristischen Oper,
die ihn stets initiiert hatte und zu der er hier tendierte; im Textbuch lautet
die Gattung: Spieloper. Der vielfach begabte und tätige Fritz Löhner-Beda,
u. a. Librettist von Giuditta, promovierter Jurist, ausgezeichneter Sportler,
Gründungsmitglied und erster Präsident des jüdischen Wiener Sportver-
eins „Hakoah“, hatte sich trotz Warnungen wegen seiner Bekanntheit sicher
gefühlt, wurde aber bereits am Tag des Einmarsches der deutschen Truppen
in Österreich am 13. März 1938 festgenommen, nach Dachau, dann nach Bu-
chenwald deportiert und schließlich 1942 in Auschwitz umgebracht.23
Trotz dieser Beispiele aus unmittelbarer Umgebung blieb Lehár und
versuchte sich, so gut er konnte, zu arrangieren.24 Dabei erlebte er eine stän-
dige Gratwanderung zwischen Hoffnung und Angst. Eine große Chance
setzte Lehár auf seine künstlerischen Erfolge, vor allem durch Die lustige
Witwe. Sie wurde am 30. Dezember 1905 im Theater an der Wien urauf-
23 Günther Schwarberg, Dein ist mein ganzes Herz. Die Geschichte des Fritz Löhner-Be
da, der die schönsten Lieder der Welt schrieb, und warum Hitler ihn ermorden ließ
(Göttingen: Steidl, 2000).
24 Eine redaktionelle Ergänzung (H. K.) soll zeigen, wie weit dieses „Arrangieren“
Lehárs ging: Die AKM, deren Ehrenpräsident Lehár war, wurde im August 1938 auf-
gelöst und in die deutsche STAGMA übergeführt. Bei der letzten Generalversamm-
lung der AKM, bei der deren Auflösung und Überführung beschlossen wurde, un-
terstrich der Generaldirektor der STAGMA, Leo Ritter, laut dem Protokoll in seiner
Ansprache vor allem folgendes: „Auch die nationalsozialistische Partei fordere nach
strenger Pflichterfüllung des Tages am Abend Unterhaltung und Entspannung, ein
Erfordernis, welchem gerade die ostmärkische Unterhaltungsmusik besonders Rech
nung trage. Daher seien gerade die ostmärkischen Komponisten der [durchgestrichen:
Partei, hs. darüber:] Stagma sehr willkommen. In Würdigung dieser Tatsache habe
Herr Reichsminister Dr. Joseph Goebbels den Ehrenpräsidenten der staatlich geneh
migten Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger (AKM) reg. Ge
nossenschaft m.b.H., Meister Franz Lehar, in den Beirat der Stagma berufen als den
führenden deutschen Unterhaltungskomponisten, ja sogar als den grössten überhaupt
lebenden Unterhaltungskomponisten. (Lebhafter Beifall) Er freue sich, der Versamm
lung mitteilen zu können, dass Meister Franz Lehar dieser Berufung Folge geleistet
habe [...].“ Zit. nach: Hartmut Krones, Das Ende der „alten“ A.K.M. (März 1938), die
Gründung der „neuen“ AKM (Juni 1945) und die Folgen (Wien: AKM, 2014), 76.
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