Page 36 - Weiss, Jernej, ur./ed. 2021. Opereta med obema svetovnima vojnama ▪︎ Operetta between the Two World Wars. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 5
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opereta med obema svetovnima vojnama

Die nationalsozialistische Kulturpolitik erkannte dieses Problem. So
hielt der Reichsdramaturg und Berliner Oberregierungsrat Rainer Schlösser
1934 in einem Schreiben an den Reichspropagandaminister Joseph ­Goebbels
fest: „Bei Machtübernahme war die Lage auf dem Operettenmarkt so, daß 80
Prozent der Produktion sowohl musikalisch wie textlich jüdischen Ursprungs
war.“22

Diese jüdische Dominanz reichte bis in die Frühzeit der Operette und
über das deutsche Kulturgebiet hinaus. So war z. B. Jaques Offenbach Sohn
eines jüdischen Kantors. Und diese Sachlage führte während des Nazire-
gimes zu folgenreichen Repressalien gegen Personen aus dem Umkreis der
Operette.

Franz Lehár und das Naziregime
Die Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland hatte auch
für Lehár Konsequenzen. Er war seit 1924 mit der geschiedenen Sophie
Meth, geb. Peschkis (1878–1947) verheiratet, einer Wiener Jüdin (Vater Sig-
mund, 1851–1918, Mutter Ernestine geb. Kohn); ihr erster Mann Heinrich
Meth (1865–1942) ist im KZ Treblinka umgekommen. Vorgeworfen wurde
Lehár aber auch seine häufige Zusammenarbeit mit nichtarischen Libret-
tisten, Sängern und Theaterunternehmern und daß er in Wien vor allem
in jüdischen Kreisen verkehrte. So waren auch die Librettisten der Ope-
rette Die lustige Witwe Juden, was wegen ihrer Pseudonyme leicht zu über-
sehen ist. Leo Stein, eigentlich Rosenstein, starb bereits 1921. Victor Léon,
eigentlich Hirschfeld, war der Sohn eines Rabbiners, erhielt 1938 Berufs-
verbot, starb 1940 und ist auf dem Wiener Zentralfriedhof im Alten Isra-
elitischen Teil begraben. Mit dem berühmten Tenor Richard Tauber war
Lehár seit 1923 befreundet und schrieb für ihn eine Reihe von Rollen (u. a.
im Land des Lächelns und in Giuditta). Der römisch-katholische Tauber
wurde wegen seiner jüdischen Großeltern väterlicherseits 1933 von einem
SA-Trupp in Berlin als Judenlümmel beschimpft sowie verprügelt und emi-
grierte schließlich 1938 nach Großbritannien. Er versuchte auch Lehár sehr
eindringlich dazu zu bewegen.

Lehár lehnte ab, zum einen, da er kein Englisch konnte und dadurch für
sich keine berufliche Zukunft im Ausland sah. Auch fühlte er sich in Öster­
reich sicher durch seine offizielle Reputation, so war er z. B. seit 1920 Ehren-

22 Marina Maisel, „Dein ist mein ganzes Herz. Die Welt der Operette: Benefizveran-
staltung für das Jüdische Zentrum am Jakobsplatz“, Jüdische Allgemeine, 16. 2. 2006,
https://www.juedische-allgemeine.de/allgemein/dein-ist-mein-ganzes-herz/.

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