Page 88 - Weiss, Jernej, ur./ed. 2021. Opereta med obema svetovnima vojnama ▪︎ Operetta between the Two World Wars. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 5
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opereta med obema svetovnima vojnama
te einer „Erneuerung“ bedarf bzw. bedurfte, gemäß der Sicht namhafter
Komponisten des Jahres 1929 beantwortet werden:
Oskar Straus:
Mit dem Wort „Schablone“, besonders in Anwendung auf die Ope
rette, wird ein bißchen viel Mißbrauch getrieben. Man übersieht,
daß es auch Lustspielschablone und eine Schwankschablone gibt,
von der – wenn sie ihren Zweck erfüllt, dem Publikum zu gefallen
– kein so großes Aufsehen gemacht wird. [...] Zu möglichster Ver
meidung derselben empfiehlt es sich, nach Stoffen zu suchen, die
von vornhinein die schabloneske Behandlung ausschließen. Dies
scheint mir der richtigste Weg zur Erneuerung der Operette zu sein.
Kurt Weill:
Ich glaube nicht an die Möglichkeit der Erneuerung der Operette,
da der ganze Begriff „Operette“ zu eng mit einem Produktionssche
ma verknüpft ist, das längst zu Tode gehetzt worden ist. Alle An
zeichen aber sprechen dafür, daß in einer Zeit, da eine deutliche
Annäherung des Sprechtheaters an das musikalische Theater (oder
umgekehrt) zu beobachten ist, auch eine neue Gattung des volks
tümlichen musikalischen Theaters heraufkommt, das nicht mehr
auf eine Umnebelung des Publikums hinzielt, sondern das mit den
reinen Mitteln heutiger Kunst, in ernster oder heiterer Form die
großen Stoffe der Zeit behandelt.
Egon Friedell:
Ich bin dafür, daß die Operette in jeder Form von der Erdober
fläche verschwindet, da sie eine der empfindlichsten Entehrungen
des menschlichen Geschlechts bildet. Wenn jemand um jeden Preis
zwei Autos und eine Villa haben muß, so soll er sie sich auf saube
re Weise erwerben, zum Beispiel durch Getreideschiebungen oder
durch Erzeugung von Abortpinseln.
Walter Kollo:
Wir brauchen gar keine Erneuerung der Operette. Sie muß nur gut
sein und das Publikum fesseln. Wenn das Publikum gefesselt wird,
dann geht es ins Theater, und wenn es ins Theater geht, dann ist
der Direktor zufrieden. Und wenn der Direktor zufrieden ist und
dem Autor die Tantieme nicht schuldig bleibt, dann ist sogar die
ser zufrieden.
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te einer „Erneuerung“ bedarf bzw. bedurfte, gemäß der Sicht namhafter
Komponisten des Jahres 1929 beantwortet werden:
Oskar Straus:
Mit dem Wort „Schablone“, besonders in Anwendung auf die Ope
rette, wird ein bißchen viel Mißbrauch getrieben. Man übersieht,
daß es auch Lustspielschablone und eine Schwankschablone gibt,
von der – wenn sie ihren Zweck erfüllt, dem Publikum zu gefallen
– kein so großes Aufsehen gemacht wird. [...] Zu möglichster Ver
meidung derselben empfiehlt es sich, nach Stoffen zu suchen, die
von vornhinein die schabloneske Behandlung ausschließen. Dies
scheint mir der richtigste Weg zur Erneuerung der Operette zu sein.
Kurt Weill:
Ich glaube nicht an die Möglichkeit der Erneuerung der Operette,
da der ganze Begriff „Operette“ zu eng mit einem Produktionssche
ma verknüpft ist, das längst zu Tode gehetzt worden ist. Alle An
zeichen aber sprechen dafür, daß in einer Zeit, da eine deutliche
Annäherung des Sprechtheaters an das musikalische Theater (oder
umgekehrt) zu beobachten ist, auch eine neue Gattung des volks
tümlichen musikalischen Theaters heraufkommt, das nicht mehr
auf eine Umnebelung des Publikums hinzielt, sondern das mit den
reinen Mitteln heutiger Kunst, in ernster oder heiterer Form die
großen Stoffe der Zeit behandelt.
Egon Friedell:
Ich bin dafür, daß die Operette in jeder Form von der Erdober
fläche verschwindet, da sie eine der empfindlichsten Entehrungen
des menschlichen Geschlechts bildet. Wenn jemand um jeden Preis
zwei Autos und eine Villa haben muß, so soll er sie sich auf saube
re Weise erwerben, zum Beispiel durch Getreideschiebungen oder
durch Erzeugung von Abortpinseln.
Walter Kollo:
Wir brauchen gar keine Erneuerung der Operette. Sie muß nur gut
sein und das Publikum fesseln. Wenn das Publikum gefesselt wird,
dann geht es ins Theater, und wenn es ins Theater geht, dann ist
der Direktor zufrieden. Und wenn der Direktor zufrieden ist und
dem Autor die Tantieme nicht schuldig bleibt, dann ist sogar die
ser zufrieden.
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