Page 30 - Weiss, Jernej, ur./ed. 2023. Glasbena društva v dolgem 19. stoletju: med ljubiteljsko in profesionalno kulturo ▪︎ Music societies in the long 19th century: Between amateur and professional culture. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 6
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glasbena društva v dolgem 19. stoletju: med ljubiteljsko in profesionalno kulturo
Grund genug für die Veranstalter, die österreichische Flagge zu hissen.9
Der „steirische Liedervater“ Schmölzer, der 1858 den Mürzthaler Sänger
bund gegründet hatte, hatte sich in seiner Heimat gegen Missgunst und
Denunziantentum zu wehren und nutzte in Coburg die Gelegenheit, sich
mit gleichgesinnten Sängerfreunden, darunter der Dichter Müller von der
Werra, auszutauschen.10
Das große deutsche Sängerfest des Jahres 1861 ist ein Kind des mäch
tig erwachten Einheitsdranges des deutschen Volkes, welcher auch
die Sängerwelt erfaßte und zu festerem Aneinanderschließen trieb,
resümierte der Chronist des Deutschen Sängerbundes, Otto Elben (1823–
1899), 1887 in der Zweitauflage seiner Darstellung Der volksthümliche deut
sche Männergesang, und verwies darauf, dass der Gedanke des Festes „all-
gemein in deutschen Landen“ zündete und mindestens 245 Vereine mit
über 5000 Sängern dem Ruf folgten.11 Die Festveranstaltungen waren ge-
prägt durch den Einheitsgedanken, der in vielfältigen Schrift- und Bild-
quellen, vor allem in Festzeitschriften, Programmen und anderen Klein-
schriften in Form von Sängersprüchen, Wahlsprüchen, Festreden und
Liedtexten thematisiert wurde.12 Während der Festpräsident Rechtsanwalt
Lindner aus Nürnberg seine Ansprache mit den Worten beendete: „Zum
großen Bau der deutschen Einigkeit sei dieses Fest ein Stein und deshalb
stimmt ihr Alle mit mir ein: Ein ganzes Deutschland, / Ein einig Deutschland
lebe / Hurrah, hoch!!!“, bat der Hauptredner Carl Gerster (1813–1892) in ei-
nem „Gebet“ zum Abschluss seiner Festrede den „Herrn der Welt“: „Leit’
uns zur Einheit, wir fürchten nicht Krieg, / Gewähr’ uns die Freiheit, ver
leih’ uns den Sieg, / Und hoch, dann hoch im starken Verband, / Hoch das
große deutsche Vaterland!“13 Demonstrativ wurde die Erinnerung an Emo-
tionalisierungs- und Verbrüderungsszenen bei Vormärz-Sängerfesten auf-
gegriffen, die durch den gemeinsamen Gesang von Ernst Moritz Arndts
9 Brusniak, Das große Buch, 96–7.
10 Ibid., 97. Müller von der Werra war Ehrenmitglied des Mürzthaler Sängerbundes.
11 Otto Elben, Der volksthümliche deutsche Männergesang. Geschichte und Stellung
im Leben der Nation; der deutsche Sängerbund und seine Glieder (Tübingen: H.
Laupp’sche Buchhandlung, 21887), 163.
12 Festausschuß, Hrsg., Gedenkbuch des in der Stad Nürnberg 1861 begangenen Großen
Deutschen Sängerfestes (Nürnberg: J. Zeiser‘s Buchhandlung, 1861), 84–116; Julius
Rübsam, Das große Deutsche Sängerfest in Nürnberg den 20., 21., 22. und 23. Juli 1861.
Erinnerungsblätter für alle deutschen Gesangesbrüder und Sängerfreunde (Anna-
berg: Rudolph und Dieterici, 1861), 17–48.
13 Festausschuß, Gedenkbuch, 45, 55; Rübsam, Das große Deutsche Sängerfest, 20, 23.
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Grund genug für die Veranstalter, die österreichische Flagge zu hissen.9
Der „steirische Liedervater“ Schmölzer, der 1858 den Mürzthaler Sänger
bund gegründet hatte, hatte sich in seiner Heimat gegen Missgunst und
Denunziantentum zu wehren und nutzte in Coburg die Gelegenheit, sich
mit gleichgesinnten Sängerfreunden, darunter der Dichter Müller von der
Werra, auszutauschen.10
Das große deutsche Sängerfest des Jahres 1861 ist ein Kind des mäch
tig erwachten Einheitsdranges des deutschen Volkes, welcher auch
die Sängerwelt erfaßte und zu festerem Aneinanderschließen trieb,
resümierte der Chronist des Deutschen Sängerbundes, Otto Elben (1823–
1899), 1887 in der Zweitauflage seiner Darstellung Der volksthümliche deut
sche Männergesang, und verwies darauf, dass der Gedanke des Festes „all-
gemein in deutschen Landen“ zündete und mindestens 245 Vereine mit
über 5000 Sängern dem Ruf folgten.11 Die Festveranstaltungen waren ge-
prägt durch den Einheitsgedanken, der in vielfältigen Schrift- und Bild-
quellen, vor allem in Festzeitschriften, Programmen und anderen Klein-
schriften in Form von Sängersprüchen, Wahlsprüchen, Festreden und
Liedtexten thematisiert wurde.12 Während der Festpräsident Rechtsanwalt
Lindner aus Nürnberg seine Ansprache mit den Worten beendete: „Zum
großen Bau der deutschen Einigkeit sei dieses Fest ein Stein und deshalb
stimmt ihr Alle mit mir ein: Ein ganzes Deutschland, / Ein einig Deutschland
lebe / Hurrah, hoch!!!“, bat der Hauptredner Carl Gerster (1813–1892) in ei-
nem „Gebet“ zum Abschluss seiner Festrede den „Herrn der Welt“: „Leit’
uns zur Einheit, wir fürchten nicht Krieg, / Gewähr’ uns die Freiheit, ver
leih’ uns den Sieg, / Und hoch, dann hoch im starken Verband, / Hoch das
große deutsche Vaterland!“13 Demonstrativ wurde die Erinnerung an Emo-
tionalisierungs- und Verbrüderungsszenen bei Vormärz-Sängerfesten auf-
gegriffen, die durch den gemeinsamen Gesang von Ernst Moritz Arndts
9 Brusniak, Das große Buch, 96–7.
10 Ibid., 97. Müller von der Werra war Ehrenmitglied des Mürzthaler Sängerbundes.
11 Otto Elben, Der volksthümliche deutsche Männergesang. Geschichte und Stellung
im Leben der Nation; der deutsche Sängerbund und seine Glieder (Tübingen: H.
Laupp’sche Buchhandlung, 21887), 163.
12 Festausschuß, Hrsg., Gedenkbuch des in der Stad Nürnberg 1861 begangenen Großen
Deutschen Sängerfestes (Nürnberg: J. Zeiser‘s Buchhandlung, 1861), 84–116; Julius
Rübsam, Das große Deutsche Sängerfest in Nürnberg den 20., 21., 22. und 23. Juli 1861.
Erinnerungsblätter für alle deutschen Gesangesbrüder und Sängerfreunde (Anna-
berg: Rudolph und Dieterici, 1861), 17–48.
13 Festausschuß, Gedenkbuch, 45, 55; Rübsam, Das große Deutsche Sängerfest, 20, 23.
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