Page 34 - Weiss, Jernej, ur./ed. 2023. Glasbena društva v dolgem 19. stoletju: med ljubiteljsko in profesionalno kulturo ▪︎ Music societies in the long 19th century: Between amateur and professional culture. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 6
P. 34
glasbena društva v dolgem 19. stoletju: med ljubiteljsko in profesionalno kulturo
habe Probleme bereitet, da die Sachsen und die Österreicher mit Blick auf
ihre Vereinsgesetze Bedenken hinsichtlich eines „Bund[es] mit Satzungen“
hatten und für „Beschlüsse des Sängertags“ plädierten.25 Was Otto Elben
allerdings verschwieg, war die noch schwieriger zu entscheidende Frage,
ob der wichtigste Paragraph der Satzung, § 1, aus dem Entwurf übernom-
men oder grundlegend geändert werden sollte. Hatte es im Entwurf im ers-
ten Satz noch lapidar geheißen: „Die Gesamtheit der deutschen Sänger bil
det den Deutschen Sängerbund“,26 entschieden sich die Delegierten nun für
eine Berücksichtigung des Einheitsgedankens:
Der deutsche Sängerbund umfaßt die Sängerbünde Deutschlands
und die Sängerbünde und Männergesangvereine der im Auslan
de lebenden Deutschen, welche sich ihm anschließen. Sein Streben
geht auf die Ausbildung und Veredlung des deutschen Männer
gesanges. Durch die dem deutschen Liede inwohnende einigende
Kraft will auch der deutsche Sängerbund in seinem Theile die na
tionale Zusammengehörigkeit der deutschen Stämme stärken und
an der Einheit und Macht des Vaterlandes mitarbeiten.27
Das Redaktionsteam der Jubiläumsschrift des Deutschen Sängerbun
des aus dem Jahre 1912, Bruno Fürchtegott Gellert aus Leipzig, Rudolf
Hofmann aus Wien, Erich Joachim aus Königsberg i. Pr., Richard Sau-
erbeck aus Mannheim und Viktor Ritter von Schmeidel aus Graz, sahen
sich veranlasst, hierzu ausführlicher Stellung zu nehmen:
Es läßt sich darüber streiten, ob es wahr sei, daß Gesetze nicht
knapp genug sein können, aber es dürfte so ziemlich außer Streit
stehen, daß in diesem Falle die erstere Fassung, die knappere, auch
die bessere war. Sie drückte aus, daß es nur einen Deutschen Sän
gerbund geben könne und solle und daß staatliche Grenzen für sei
ne Absicht und seinen Endzweck gar nicht bestünden. Damit war
jeder politischen Frage – dem schlimmsten Gaste für deutschen
Männergesang – aus dem Wege gegangen und nur der über alle
Tagesfragen erhabene geistige Zusammenhang betont, eine Auffas
sung, auf welcher Lebenskraft und Stärke des Deutschen Sänger
bundes beruhen. Die Koburger Fassung dagegen leidet vor allem
an dem unsicheren oder, richtiger gesagt, damals mehr denn un
25 Elben, Der volksthümliche Männergesang, 172.
26 Gesamtausschuß, Der Deutsche Sängerbund, 38.
27 Ibid., 225.
32
habe Probleme bereitet, da die Sachsen und die Österreicher mit Blick auf
ihre Vereinsgesetze Bedenken hinsichtlich eines „Bund[es] mit Satzungen“
hatten und für „Beschlüsse des Sängertags“ plädierten.25 Was Otto Elben
allerdings verschwieg, war die noch schwieriger zu entscheidende Frage,
ob der wichtigste Paragraph der Satzung, § 1, aus dem Entwurf übernom-
men oder grundlegend geändert werden sollte. Hatte es im Entwurf im ers-
ten Satz noch lapidar geheißen: „Die Gesamtheit der deutschen Sänger bil
det den Deutschen Sängerbund“,26 entschieden sich die Delegierten nun für
eine Berücksichtigung des Einheitsgedankens:
Der deutsche Sängerbund umfaßt die Sängerbünde Deutschlands
und die Sängerbünde und Männergesangvereine der im Auslan
de lebenden Deutschen, welche sich ihm anschließen. Sein Streben
geht auf die Ausbildung und Veredlung des deutschen Männer
gesanges. Durch die dem deutschen Liede inwohnende einigende
Kraft will auch der deutsche Sängerbund in seinem Theile die na
tionale Zusammengehörigkeit der deutschen Stämme stärken und
an der Einheit und Macht des Vaterlandes mitarbeiten.27
Das Redaktionsteam der Jubiläumsschrift des Deutschen Sängerbun
des aus dem Jahre 1912, Bruno Fürchtegott Gellert aus Leipzig, Rudolf
Hofmann aus Wien, Erich Joachim aus Königsberg i. Pr., Richard Sau-
erbeck aus Mannheim und Viktor Ritter von Schmeidel aus Graz, sahen
sich veranlasst, hierzu ausführlicher Stellung zu nehmen:
Es läßt sich darüber streiten, ob es wahr sei, daß Gesetze nicht
knapp genug sein können, aber es dürfte so ziemlich außer Streit
stehen, daß in diesem Falle die erstere Fassung, die knappere, auch
die bessere war. Sie drückte aus, daß es nur einen Deutschen Sän
gerbund geben könne und solle und daß staatliche Grenzen für sei
ne Absicht und seinen Endzweck gar nicht bestünden. Damit war
jeder politischen Frage – dem schlimmsten Gaste für deutschen
Männergesang – aus dem Wege gegangen und nur der über alle
Tagesfragen erhabene geistige Zusammenhang betont, eine Auffas
sung, auf welcher Lebenskraft und Stärke des Deutschen Sänger
bundes beruhen. Die Koburger Fassung dagegen leidet vor allem
an dem unsicheren oder, richtiger gesagt, damals mehr denn un
25 Elben, Der volksthümliche Männergesang, 172.
26 Gesamtausschuß, Der Deutsche Sängerbund, 38.
27 Ibid., 225.
32