Page 48 - Weiss, Jernej, ur./ed. 2023. Glasbena društva v dolgem 19. stoletju: med ljubiteljsko in profesionalno kulturo ▪︎ Music societies in the long 19th century: Between amateur and professional culture. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 6
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glasbena društva v dolgem 19. stoletju: med ljubiteljsko in profesionalno kulturo

Ziele.3 Bevor wir diese Vielfalt in ihren Grundzügen darstellen, wollen wir
aber gleichsam historisch vorgehen.

Am 29. November des Jahres 1812 versammelten sich um die Mittags-
stunde 590 Mitwirkende unter der Leitung des Hofkonzipisten und Kom-
ponisten Ignaz Mosel in der kaiserlichen Winterreitschule „am Josephs-
platze“, um vor nahezu 5.000 Zuhörern ein Konzert zu absolvieren, dessen
Reinertrag der Unterstützung der von den napoleonischen Kriegen beson-
ders betroffenen Bewohner der Gegend von Aspern sowie der durch eine
Feuersbrunst geschädigten Einwohner Badens zugedacht war. Auf dem
Programm stand das Oratorium „Timotheus, oder die Gewalt der Musik“,
also „Alexander‘s Feast“ („Das Alexanderfest“), von Georg Friedrich Hän-
del in der (deutschsprachigen) Bearbeitung Wolfgang Amadeus Mozarts.4

Bevor wir auf musikalische Einzelheiten eingehen, sei hervorgeho-
ben, wer dieses Konzert veranstaltete: Es war die ein Jahr zuvor gegründe-
te „Gesellschaft der adeligen Frauen zur Beförderung des Guten und Nütz-
lichen“, und kein einziger Mann hat versucht, diese Aktivität zu stoppen.
Dies nur allen jenen ins Stammbuch, die ohne Detailwissen überall von der
Unterdrückung der Frauen im 19. Jahrhundert sprechen. Unterdrückung
fand selbstverständlich auch statt, aber sie ging damals von just jenen ade-
ligen und großbürgerlichen Kreisen aus – und zwar gleichermaßen von den
Männern wie von den Frauen –, die Arbeiter und Bauern wie Leibeige-
ne hielten und ihren Reichtum auf deren Fronarbeit begründeten: auf der
Fronarbeit von Männern und Frauen, aber auch von Kindern.

Zurück zur Musik: Wir haben genaue Angaben, wie sich die 590 Mit-
wirkenden dieses Monsterkonzertes verteilten; u. a. spielten 120 Violinen
(also jeweils ca. 60 erste und zweite), 33 Violoncelli, jeweils 12 Flöten, Oboen,
Klarinetten, Fagotte, Hörner und Trompeten, zudem sangen – schon sind
wir bei unserem Thema – 7 Solisten sowie „280 Chor=Sänger und Sänge-
rinnen“.5 Und soweit wir aus den Namenslisten der Mitwirkenden wissen,

3 Hiezu siehe vor allem Hartmut Krones, „Das Aufblühen von Musikvereinen in Wien
ab der Mitte des 19. Jahrhunderts“, in: Musikfreunde. Träger der Musikkultur in der
ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Hrsg. Ingrid Fuchs (Kassel etc.: Bärenreiter, 2017),
191–204.

4 Vgl. Hartmut Krones, „‚Die Emporbringung der Musik in allen ihren Zweigen‘. 200
Jahre Gesellschaft der Musikfreunde in Wien“, in 200 Jahre Uraufführungen in der
Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, Hrsg. Hartmut Krones (= Wiener Schriften
zur Stilkunde und Aufführungspraxis, Sonderband 8) (Wien, Köln, Weimar: Böhlau,
2018), 235–46.

5 Moriz Graf von Dietrichstein, „I. Händel‘s Oratorium: Die Gewalt der Musik. Auf-
geführt von Dilettanten in Wien am 29. November und 3. December 1812“, Vaterlän­

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