Page 310 - Weiss, Jernej, ur./ed. 2025. Glasbena interpretacija: med umetniškim in znanstvenim┊Music Interpretation: Between the Artistic and the Scientific. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 8
P. 310

glasbena interpretacija ... | music interpretation ...
            Münzer auseinander, die durch den Holokaust brutal unterbrochen bzw.
            beeinflusst wurden. Alle drei hervorragenden Pianisten, wie auch deren
            Lehrer Eduard Steuermann, bis heute vor allem als A. Schönberg-Pianist
            bei vielen Uraufführungen seiner Werke bekannt, stammten aus Galizi-
            en. Alle drei durften bei Steuermann erst in Wien studieren und ernteten
            im Nachhinein durchbrechende internationalen Erfolge bis die dramati-
            sche Wende der Weltgeschichte diese abrupt unterbrach. Jakob Gimpel, der
            bereits in den frühen 1920er Jahren nach Wien zog, um bei E. Steuermann
            zu studieren und parallel auch Kompositionsunterricht bei Alban Berg er-
            hielt, emigrierte 1938 nach USA und wurde vorerst durch seine Mitwirkung
            in den zwei klassischen Zeichentrickfilmen: „Rhapsody Rabbit“ und Oscar-
            prämierte „Johann Mouse“, bekannt. Artur Hermelin gastierte mehrmals
            in vielen europäischen Metropolen (besonders beliebt war er in Paris) so-
            wie in den USA und Südamerika, kehrte jedoch jedes Mal nach Lemberg
            zurück, wo er auch eine Klavierprofessur übernahm – ähnlich wie Leopold
            Münzer. Beide kamen im Lemberger Ghetto ums Leben.
            Neben den rein historiographischen Festlegungen, welche die Musikwis-
            senschaft diesen herausgehenden Persönlichkeiten bis heute schuldet, stell-
            ten sich im Laufe der Forschung weitere wichtige Zusammenhänge heraus,
            die vor allem mit der sogenannte „Lemberger Klavierschule“ verbunden
            sind. Diese entstand unter dem Einfluss von Carol Mikuli, einem Schü-
            ler Chopins. In den Jahren 1898 bis 1919 war tschechischer Pianist Vilém
            Kurz (1872-1945) als Professor am Konservatorium der Galizischen Musik-
            gesellschaft tätig. Gerade in dieser Zeit in entwickelte V. Kurz die Grundla-
            gen seiner Klavierpädagogik, womit er später auch in Tschechien berühmt
            wurde, wo er seit 1920 Professor für Klavier am Prager Konservatorium
            und über gewisse Zeit auch deren Rektor war.
            In Lemberg nahm auch Eduard Steuermann seinen wichtigsten ersten Mu-
            sikunterricht, regelmäßig aus Sambor zu den Stunden von Vilém Kurz rei-
            send. Diese Ausbildung begann 1902 und dauerte bis zum Jahre 1910.
            Die Einflüsse der „Lemberger Schule“ sind in der Interpretationsstilistik
            sowie in der Repertoirevorlieben aller erwähnten Pianisten spürbar und
            prägend.
            Letztendlich setzt die vorliegende Forschung eine der wichtigsten Tenden-
            zen der neuesten Steuermann-Studien fort und handelt ihn nicht nur als
            treuen Epigonen Schönbergs ab, sondern auch als einen den produktivs-
            ten Künstler seiner Zeit, der unter anderen Umständen auch genug Kräfte


            310
   305   306   307   308   309   310   311   312   313   314   315