Page 82 - Weiss, Jernej, ur. 2018. Nova glasba v “novi” Evropi med obema svetovnima vojnama ?? New Music in the “New” Europe Between the Two World Wars. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 2
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nova glasba v »novi« evropi med obema svetovnima vojnama
19. März 1933 folgte Paul Amadeus Pisks „Campanella“ nach einem Gedicht
von Josef Luitpold Stern. Es war dies jenes Konzert, bei dem auch Hanns
Eislers „Das Lied vom Kampf“ nach Brecht erklang, ehe sich Eisler von
Wien aus in die Emigration begab; Dirigent war Anton Webern, der durch
seine Programmierung wahrscheinlich zu Eislers Retter wurde.
Auch in der traditionellen Gattung Oper hielten Sprechchöre ihren
Einzug. Neben Schönbergs „Moses und Aron“ war dies vor allem die 1929
in Duisburg uraufgeführte Oper „Maschinist Hopkins“13 des Wieners Max
Brand (1896–1980), der hier Sprechchöre einsetzte, um die starre Welt der
Maschinen adäquat in Töne, besser: Geräusche fassen zu können. Hören
wir in den Chor der Maschinen, die ihren Arbeitsrhythmus in motorisches
Sprechen kleiden:
„Gelenke schwer, / Ganz ohne Wehr, / Erfüllt von Macht, / Die alles
schafft, Sie folgen, folgen. // Und Tag für Tag / Schwingt jedes Rad,
/ Die Wellen laufen, / Kolben sausen, / Immerzu, immerzu.“14
Besonders wichtig für unsere weiteren Betrachtungen werden jetzt zwei
Schönberg-Schüler: Walter Gronostay und Hanns Eisler. Ersterer (1906–
1937), der in Berlin neben Klavier auch Komposition bei Arnold Schönberg
studierte und dann Korrepetitor am Deutschen Opernhaus war, feierte sei-
nen ersten großen Erfolg 1928 in Baden-Baden mit seiner Kurzoper „In
zehn Minuten“. Und 1932 schuf er für den Deutschen Arbeitersängerbund
über Texte von Günther Weisenborn und Adolf Stemmle das Werk „Mann
im Beton. Eine proletarische Ballade“ für Männerchor, Sprechchor, 7 So-
losprecher, Lichtbilder und Blasorchester. (Gronostay vertonte 1936, obwohl
er nie Mitglied der NSDAP war, die Olympiade-Dokumentationen „Jugend
der Welt“ sowie Leni Riefenstahls „Olympia“.)
In seiner „proletarischen Ballade“ „Mann im Beton“ griff Gronostay
das Problem der angesichts der Rationalisierungs-Maßnahmen unmensch-
lich gewordenen Arbeitswelt auf: Bruno Löwenberg äußerte sich dazu im
Vorwort der Partitur folgendermaßen: „Dann kam das laufende Band; im-
13 Die „offizielle“ Handlung: Arbeiter & Arbeiterin, Bill & Nell, lieben sich, er klaut Be-
triebsgeheimnis und bringt dabei Vorarbeiter um, Aufstieg zum Wirtschaftsmag-
naten, Maschinist Hopkins kommt der Sache auf die Spur, erpreßt Nell, sie gesteht
Mord, Hopkins läßt sie fallen, sie landet in der Gosse, wird von Bill umgebracht, am
Schluß ist Hopkins neuer Chef. Das Ganze geht flott dahin, Maschinen, Liebessze-
nen, Kabarett, ein gut gebautes, auf einem spannungsgeladenen Dreicksverhältnis
basierendes Stück.
14 Hier wurde der „Chor der Maschinen“ aus Max Brands Oper „Maschinist Hopkins“
vorgespielt.
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19. März 1933 folgte Paul Amadeus Pisks „Campanella“ nach einem Gedicht
von Josef Luitpold Stern. Es war dies jenes Konzert, bei dem auch Hanns
Eislers „Das Lied vom Kampf“ nach Brecht erklang, ehe sich Eisler von
Wien aus in die Emigration begab; Dirigent war Anton Webern, der durch
seine Programmierung wahrscheinlich zu Eislers Retter wurde.
Auch in der traditionellen Gattung Oper hielten Sprechchöre ihren
Einzug. Neben Schönbergs „Moses und Aron“ war dies vor allem die 1929
in Duisburg uraufgeführte Oper „Maschinist Hopkins“13 des Wieners Max
Brand (1896–1980), der hier Sprechchöre einsetzte, um die starre Welt der
Maschinen adäquat in Töne, besser: Geräusche fassen zu können. Hören
wir in den Chor der Maschinen, die ihren Arbeitsrhythmus in motorisches
Sprechen kleiden:
„Gelenke schwer, / Ganz ohne Wehr, / Erfüllt von Macht, / Die alles
schafft, Sie folgen, folgen. // Und Tag für Tag / Schwingt jedes Rad,
/ Die Wellen laufen, / Kolben sausen, / Immerzu, immerzu.“14
Besonders wichtig für unsere weiteren Betrachtungen werden jetzt zwei
Schönberg-Schüler: Walter Gronostay und Hanns Eisler. Ersterer (1906–
1937), der in Berlin neben Klavier auch Komposition bei Arnold Schönberg
studierte und dann Korrepetitor am Deutschen Opernhaus war, feierte sei-
nen ersten großen Erfolg 1928 in Baden-Baden mit seiner Kurzoper „In
zehn Minuten“. Und 1932 schuf er für den Deutschen Arbeitersängerbund
über Texte von Günther Weisenborn und Adolf Stemmle das Werk „Mann
im Beton. Eine proletarische Ballade“ für Männerchor, Sprechchor, 7 So-
losprecher, Lichtbilder und Blasorchester. (Gronostay vertonte 1936, obwohl
er nie Mitglied der NSDAP war, die Olympiade-Dokumentationen „Jugend
der Welt“ sowie Leni Riefenstahls „Olympia“.)
In seiner „proletarischen Ballade“ „Mann im Beton“ griff Gronostay
das Problem der angesichts der Rationalisierungs-Maßnahmen unmensch-
lich gewordenen Arbeitswelt auf: Bruno Löwenberg äußerte sich dazu im
Vorwort der Partitur folgendermaßen: „Dann kam das laufende Band; im-
13 Die „offizielle“ Handlung: Arbeiter & Arbeiterin, Bill & Nell, lieben sich, er klaut Be-
triebsgeheimnis und bringt dabei Vorarbeiter um, Aufstieg zum Wirtschaftsmag-
naten, Maschinist Hopkins kommt der Sache auf die Spur, erpreßt Nell, sie gesteht
Mord, Hopkins läßt sie fallen, sie landet in der Gosse, wird von Bill umgebracht, am
Schluß ist Hopkins neuer Chef. Das Ganze geht flott dahin, Maschinen, Liebessze-
nen, Kabarett, ein gut gebautes, auf einem spannungsgeladenen Dreicksverhältnis
basierendes Stück.
14 Hier wurde der „Chor der Maschinen“ aus Max Brands Oper „Maschinist Hopkins“
vorgespielt.
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