Page 83 - Weiss, Jernej, ur. 2018. Nova glasba v “novi” Evropi med obema svetovnima vojnama ?? New Music in the “New” Europe Between the Two World Wars. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 2
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sprechen und „sprechgesang“ als ausdrucksform ...
mer stärker wurde mechanisiert und rationalisiert. [...] Immer schneller lie-
fen die Maschinen, immer größer wurde die Produktion. Mit der Stoppuhr
in der Hand überwachte der Betriebsleiter den Arbeitsgang. ,Bitte, seid Hel-
den [der Arbeit], wenn ihr Zeit dazu habt ! Aber stört unseren Produkti-
onsprozeß nicht!‘ Wo bliebe auch die Konkurrenzfähigkeit des Betriebes,
wenn man sich mit Sentimentalitäten aufhielte. Freilich fallen Opfer. – Sie
sinken an den Maschinen zusammen. Wenn sie noch sprechen, so sind ihre
letzten Worte eine Anklage gegen dieses System, das sie mit mörderischem
Tempo in den Tod treibt.“15
Das Werk spielt in Amerika, der „Heimat des modernen Antreibesy
stems“, und in diesem unmenschlichen Land wird der durch eine Unacht-
samkeit im Beton eingeschlossene Hilfsarbeiter Jonny Miller von den
Bauherren geopfert, um die rechtzeitige Sprengung eines Staudamms zu
ermöglichen – er wird zum „Mann im Beton“. Auch viele seiner Kollegen
tun nichts zu seiner Rettung; den zur Hilfe bereiten Arbeitern wird hin-
gegen vorgegaukelt, daß sich Jonny Miller freiwillig opfert und so zum
„Helden der Arbeit“ wird. Und man errichtet ihm nach der Sprengung ein
Denkmal. Zum Höhepunkt wird der kurze Sprechchor „Hier trauern ver-
eint zum ersten Mal Proletariat und Kapital“ (Abbildung 4), ehe die letzten
Worte gesungen wiederholt werden. Im gesungenen Schlußchor hören wir
dann die Anklage: „Er starb im Beton für Profit.“ Und: „Es herrscht ein ver-
dammtes System auf der Welt.“
Abbildung 4: Walter Gronostay, aus „Mann im Beton“.
15 Bruno Löwenberg, „Mann im Beton“, in Mann im Beton. Eine proletarische Ballade,
Text: Robert Adolf Stemmle und Günther Weisenborn, Musik: Walter Gronostay,
Deutscher Arbeiter-Sängerbund. Berlin o. J., o. S..
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mer stärker wurde mechanisiert und rationalisiert. [...] Immer schneller lie-
fen die Maschinen, immer größer wurde die Produktion. Mit der Stoppuhr
in der Hand überwachte der Betriebsleiter den Arbeitsgang. ,Bitte, seid Hel-
den [der Arbeit], wenn ihr Zeit dazu habt ! Aber stört unseren Produkti-
onsprozeß nicht!‘ Wo bliebe auch die Konkurrenzfähigkeit des Betriebes,
wenn man sich mit Sentimentalitäten aufhielte. Freilich fallen Opfer. – Sie
sinken an den Maschinen zusammen. Wenn sie noch sprechen, so sind ihre
letzten Worte eine Anklage gegen dieses System, das sie mit mörderischem
Tempo in den Tod treibt.“15
Das Werk spielt in Amerika, der „Heimat des modernen Antreibesy
stems“, und in diesem unmenschlichen Land wird der durch eine Unacht-
samkeit im Beton eingeschlossene Hilfsarbeiter Jonny Miller von den
Bauherren geopfert, um die rechtzeitige Sprengung eines Staudamms zu
ermöglichen – er wird zum „Mann im Beton“. Auch viele seiner Kollegen
tun nichts zu seiner Rettung; den zur Hilfe bereiten Arbeitern wird hin-
gegen vorgegaukelt, daß sich Jonny Miller freiwillig opfert und so zum
„Helden der Arbeit“ wird. Und man errichtet ihm nach der Sprengung ein
Denkmal. Zum Höhepunkt wird der kurze Sprechchor „Hier trauern ver-
eint zum ersten Mal Proletariat und Kapital“ (Abbildung 4), ehe die letzten
Worte gesungen wiederholt werden. Im gesungenen Schlußchor hören wir
dann die Anklage: „Er starb im Beton für Profit.“ Und: „Es herrscht ein ver-
dammtes System auf der Welt.“
Abbildung 4: Walter Gronostay, aus „Mann im Beton“.
15 Bruno Löwenberg, „Mann im Beton“, in Mann im Beton. Eine proletarische Ballade,
Text: Robert Adolf Stemmle und Günther Weisenborn, Musik: Walter Gronostay,
Deutscher Arbeiter-Sängerbund. Berlin o. J., o. S..
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