Page 88 - Weiss, Jernej, ur. 2018. Nova glasba v “novi” Evropi med obema svetovnima vojnama ?? New Music in the “New” Europe Between the Two World Wars. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 2
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nova glasba v »novi« evropi med obema svetovnima vojnama
nur die Nazis die hochpolitische Dimension dieses Stücks verstanden, das
heute leider sehr oft zum Ulk für Schul- und andere Chöre verkommt, ob-
wohl es extrem politisch gemeint war; beginnt es doch mit dem Anfangs-
ruf „Ratibor“, dem Namen einer schlesischen, damals deutschen Stadt, in
der es 1930 angesichts der dort wohnenden polnischen Minderheit immer
wieder Konflikte gab. Der Anfangsruf „Ratibor“ war somit semantisch
eindeutig besetzt – als Synonym für Minderheitenprobleme bzw. für die
(fallweise) Unterdrückung anderer Ethnien. Auch viele nachfolgende geo-
graphische Begriffe wie „Mississippi“, „Honolulu“ oder „Popocatepetl“ ge-
mahnen deutlich an die Unterdrückung oder Ausrottung von Minderhei-
ten oder gar nahezu der gesamten Urbevölkerung. „Athen“, die Wiege der
Demokratie, wird gleichsam als Ostinato dagegengestellt. Und in der spä-
teren englischen Version ist der eröffnende „geographische“ Beginn „Trin-
idad“ selbstverständlich ebenfalls unter diesem Aspekt zu sehen; gab es ja
gerade in den 1940er Jahren in Trinidad ernste Auseinandersetzungen zwi-
schen der weißen und der schwarzen Bevölkerung.
Alle, die diese Komposition auch heute noch als Ulk sehen, befinden
sich in schlechter, sozusagen Einsteinscher Gesellschaft. Sie haben bis heu-
te nicht die politische Dimension der Kunstform „Sprechchor“ verstanden,
die auch den ungebildetsten Schulmusikern nahezubringen immer mein
Anliegen war.
Bibliographie
Arbeiter-Zeitung. 25. Jänner 1934, S. 8.
Ball, Hugo. Die Flucht aus der Zeit. Luzern: J. Stocker, 1946, S. 79f.
Doll, Jürgen. „Sozialdemokratisches Theater im Wien der Zwischenkriegsze-
it. Vom Sprechchorwerk zu den Roten-Spieler-Szenen“. In Verdrängte
Moderne – vergessene Avantgarde. Diskurskonstellationen zwischen Lite-
ratur, Theater, Kunst und Musik in Österreich 1918–1938. Hrsg. von Primu-
s-Heinz Kucher. Göttingen: V & R unipress, 2016, S. 79–94.
Einstein, Alfred. „Neue Musik Berlin 1930 I“. In Berliner Tageblatt und Han-
dels-Zeitung 59, 285 (1930): S. 3.
Geiger, Friedrich. Die Dramma-Oratorien von Wladimir Vogel, 1896–1984.
Hamburg: Von Bockel, 1998, S. 216f.
Krones, Hartmut, Hrsg.. „An: Karl Steiner, Shanghai. Briefe ins Exil an einen
Pianisten der Wiener Schule“. Schriften des Wissenschaftszentrums Ar-
nold Schönberg, Band 4. Wien-Köln-Weimar: Böhlau, 2013.
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nur die Nazis die hochpolitische Dimension dieses Stücks verstanden, das
heute leider sehr oft zum Ulk für Schul- und andere Chöre verkommt, ob-
wohl es extrem politisch gemeint war; beginnt es doch mit dem Anfangs-
ruf „Ratibor“, dem Namen einer schlesischen, damals deutschen Stadt, in
der es 1930 angesichts der dort wohnenden polnischen Minderheit immer
wieder Konflikte gab. Der Anfangsruf „Ratibor“ war somit semantisch
eindeutig besetzt – als Synonym für Minderheitenprobleme bzw. für die
(fallweise) Unterdrückung anderer Ethnien. Auch viele nachfolgende geo-
graphische Begriffe wie „Mississippi“, „Honolulu“ oder „Popocatepetl“ ge-
mahnen deutlich an die Unterdrückung oder Ausrottung von Minderhei-
ten oder gar nahezu der gesamten Urbevölkerung. „Athen“, die Wiege der
Demokratie, wird gleichsam als Ostinato dagegengestellt. Und in der spä-
teren englischen Version ist der eröffnende „geographische“ Beginn „Trin-
idad“ selbstverständlich ebenfalls unter diesem Aspekt zu sehen; gab es ja
gerade in den 1940er Jahren in Trinidad ernste Auseinandersetzungen zwi-
schen der weißen und der schwarzen Bevölkerung.
Alle, die diese Komposition auch heute noch als Ulk sehen, befinden
sich in schlechter, sozusagen Einsteinscher Gesellschaft. Sie haben bis heu-
te nicht die politische Dimension der Kunstform „Sprechchor“ verstanden,
die auch den ungebildetsten Schulmusikern nahezubringen immer mein
Anliegen war.
Bibliographie
Arbeiter-Zeitung. 25. Jänner 1934, S. 8.
Ball, Hugo. Die Flucht aus der Zeit. Luzern: J. Stocker, 1946, S. 79f.
Doll, Jürgen. „Sozialdemokratisches Theater im Wien der Zwischenkriegsze-
it. Vom Sprechchorwerk zu den Roten-Spieler-Szenen“. In Verdrängte
Moderne – vergessene Avantgarde. Diskurskonstellationen zwischen Lite-
ratur, Theater, Kunst und Musik in Österreich 1918–1938. Hrsg. von Primu-
s-Heinz Kucher. Göttingen: V & R unipress, 2016, S. 79–94.
Einstein, Alfred. „Neue Musik Berlin 1930 I“. In Berliner Tageblatt und Han-
dels-Zeitung 59, 285 (1930): S. 3.
Geiger, Friedrich. Die Dramma-Oratorien von Wladimir Vogel, 1896–1984.
Hamburg: Von Bockel, 1998, S. 216f.
Krones, Hartmut, Hrsg.. „An: Karl Steiner, Shanghai. Briefe ins Exil an einen
Pianisten der Wiener Schule“. Schriften des Wissenschaftszentrums Ar-
nold Schönberg, Band 4. Wien-Köln-Weimar: Böhlau, 2013.
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