Page 51 - Weiss, Jernej, ur. 2019. Vloga nacionalnih opernih gledališč v 20. in 21. stoletju - The Role of National Opera Houses in the 20th and 21st Centuries. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 3
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neue musik auf österreichischen bühnen ...

In der Feier geht es immer: um Bestätigung. Ein Fest aber ist et-
was anderes: Das Fest stellt die Regeln der Gesellschaft in Frage,
hebt den Konsens des Miteinanders in der Inszenierung auf, tüttelt
durch die Inszenierung und das Rollenspiel, durch die Umdeutung
vermeintlich bekannter Zeichen und Symbole an den Grundwerten
des geltenden Gemeinwesens.93

Kritik, Intellektualisierung und Aktualität fungieren als Erfolgsfak-
toren – im Gegensatz zur These, dass mangelnde Popularität auf einem ver-
meintlichen Missverständnis der Gattung Oper beruhe.94 Dazu passt, dass
die große Oper der Vergangenheit, Wagner, Verdi und Mozart, heute als
„Kunst der Subversion“ gesehen wird. Der Erfolgsfaktor ist dabei, Emoti-
onen zu erzeugen:

Kunst lebt von Emotionen und führt zur Grenze unserer Begriff-
lichkeiten, wo das Rätsel des Lebens ohne helfende Konventionen
beginnt. Um uns an die letzten Einsichten der Existenz heranzuta-
sten, helfen uns naturwissenschaftliche Erkenntnisse nur bedingt
weiter. Dazu brauchen wir auch Bilder und Geschichten, Gleich-
nisse, die unser Denken und unsere Berechenbarkeit erweitern.
Das Musiktheater kann helfen, diese Bilder zu vermitteln, in denen
wir uns wiedererkennen und mit denen wir uns weiterentwickeln
können.95

Damit nimmt die Kunst auch eine sinnstiftende, quasi religiöse Funk-
tion an.96

Das Politische der Oper und die „soziale Relevanz“ können dabei auch
in einer Mikro-Politik gesehen werden: „dem Zwischenmenschlichen, der
Keimzelle der Gesellschaft“, das die Oper thematisieren kann. „Ich glau-
be nicht, dass die Oper die Welt bewegen muss. Es reicht, wenn sie uns be-

93 Axel Brüggemann, „Publikumsreflexion und Kritik“, in: Michael Fischer, ed., Die
Festspiele. Wirklichkeit, Deutung, Zukunft (Salzburg: Residenz, 2012), 159.

94 Vgl. David Treffinger, Musik als Literatur? Die Oper nach 1945 in der Identitätskrise
(Graz: Univ. Diss., 2012).

95 Geyer, „Marktgerecht oder Lust auf Neues?“, 138.
96 Volker Gerhardt, „Fünf Anregungen aus der Geschichte“, in: Michael Fischer, ed.,

Die Festspiele. Wirklichkeit, Deutung, Zukunft (Salzburg: Residenz, 2012), 67 und
70. Gerhardt hat den Ausnahmecharakter der Festspiele unterstrichen, der sei-
nes Erachtens quer zur Institutionalisierung steht. Das „Erleben des Großen“, des
Göttlichen, stand seit der Antike im Zentrum, was seit dem „Tode Gottes“ in der
Moderne für die Kunst umso mehr als Auftrag erscheint. „Reine Mitteilung“ und
„Ereignis“ seien Ziel der Festspiele, „dem Augenblick Dauer zu verleihen“.

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