Page 46 - Weiss, Jernej, ur. 2019. Vloga nacionalnih opernih gledališč v 20. in 21. stoletju - The Role of National Opera Houses in the 20th and 21st Centuries. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 3
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vloga nacionalnih opernih gledališč v 20. in 21. stoletju
Olga Neuwirth
Der Spielplan des Theater an der Wien ist auch hinsichtlich aus gesell-
schaftspolitischen Gründen nicht realisierter und realisierter Werke inte-
ressant, wie am Beispiel von Olga Neuwirth, die 2012/13 mit einem neuen
Werk vertreten war, deutlich wird. An ihrem Beispiel tritt auch die Bedeu-
tung des Librettos für die Rezeption einer Oper, die bereits Einems Beispiel
klar machte, nochmals hervor.
Peter Ruzicka hat auf das Lamento der Komponisten verwiesen, heute
kaum mehr gebraucht zu werden – auch in Hinblick auf Neuwirths Eröff-
nungsrede bei den Salzburger Festspielen 2006.80 Dennoch ist es vielsagend,
welche Projekte heute nicht den Weg auf die Opern- und Festspielbühnen
fanden. Helga Utz hat die nicht realisierten Werke Neuwirths aufgelistet,
wovon das Musiktheater auf ein Libretto Elfriede Jelineks „Der Fall des
Hans W.“, das den Don Giovanni Stoff mit dem Skandal um den pädo-
philen Kinderpsychiater und Mörder Dr. Wurst verknüpft und in Hinblick
auf das Thema der Verführung bearbeitet, das bekannteste ist.81 Es erfuhr
auf vielen prominenten Bühnen eine Absage, offensichtlich erschien das
Libretto zu radikal und unzumutbar. Jelinek zog es 2006 zurück. In dem
2008 publizierten Text wird allerdings noch ein Projekt als unverwirklicht
erwähnt: Lulu, geplant für „MaerzMusik“ 2008 in Berlin. 2012/13 erfuhr
das Vorhaben dann doch eine Realisierung: American Lulu ging in Berlin
und Wien über die Bühne.
Warum findet Olga Neuwirth trotz aller Schwierigkeiten Eingang zu
den staatstragenden Bühnen? Karin Hochradl, ebenfalls skeptisch, was
Neuwirths Außenseiter-Rolle und ihre diesbezüglichen Lamenti betrifft,
sieht Neuwirths Erfolgsrezept in der Kraft, neue Sichtweisen zu provo-
zieren.82 Als das Charakteristikum ihrer Werke kann die gesellschaftskri-
tische Intention, alte und neue Werte in Frage zu stellen, neue Hör- und
80 Vgl. Peter Ruzicka, „Festspiele der Zukunft“, in: Michael Fischer, ed., Die Festspiele.
Wirklichkeit, Deutung, Zukunft (Salzburg: Residenz, 2012), 176–179.
81 Vgl. Helga Utz, „Anmerkungen zu nicht realisierten Projekten Olga Neuwirths“, in:
Stefan Drees, ed., Olga Neuwirth. Zwischen den Stühlen. A Twilight-Song auf der Su-
che nach dem fernen Klang (Salzburg: Anton Pustet, 2008), 366–371.
82 Karin Hochradl, „Olga Neuwirth/Elfriede Jelinek, Von bewussten, unbewussten
sowie dazwischen positionierten Komponenten der Musiktheaterkonzeptionen
Bählamms Fest und Lost Highway“, in: Jürgen Kühnel, Ulrich Müller und Oswald
Panagl, ed., Musiktheater der Gegenwart. Text, Komposition, Rezeption und Kanon-
bildung (Salzburg: Mueller-Speiser, 2008), 417–426. Hochradl spricht auch die „Ab-
sage des angeforderten Musiktheaterprojekts über den NS-Arzt Gross für das Mo-
zartjahr 2006“ an.
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Olga Neuwirth
Der Spielplan des Theater an der Wien ist auch hinsichtlich aus gesell-
schaftspolitischen Gründen nicht realisierter und realisierter Werke inte-
ressant, wie am Beispiel von Olga Neuwirth, die 2012/13 mit einem neuen
Werk vertreten war, deutlich wird. An ihrem Beispiel tritt auch die Bedeu-
tung des Librettos für die Rezeption einer Oper, die bereits Einems Beispiel
klar machte, nochmals hervor.
Peter Ruzicka hat auf das Lamento der Komponisten verwiesen, heute
kaum mehr gebraucht zu werden – auch in Hinblick auf Neuwirths Eröff-
nungsrede bei den Salzburger Festspielen 2006.80 Dennoch ist es vielsagend,
welche Projekte heute nicht den Weg auf die Opern- und Festspielbühnen
fanden. Helga Utz hat die nicht realisierten Werke Neuwirths aufgelistet,
wovon das Musiktheater auf ein Libretto Elfriede Jelineks „Der Fall des
Hans W.“, das den Don Giovanni Stoff mit dem Skandal um den pädo-
philen Kinderpsychiater und Mörder Dr. Wurst verknüpft und in Hinblick
auf das Thema der Verführung bearbeitet, das bekannteste ist.81 Es erfuhr
auf vielen prominenten Bühnen eine Absage, offensichtlich erschien das
Libretto zu radikal und unzumutbar. Jelinek zog es 2006 zurück. In dem
2008 publizierten Text wird allerdings noch ein Projekt als unverwirklicht
erwähnt: Lulu, geplant für „MaerzMusik“ 2008 in Berlin. 2012/13 erfuhr
das Vorhaben dann doch eine Realisierung: American Lulu ging in Berlin
und Wien über die Bühne.
Warum findet Olga Neuwirth trotz aller Schwierigkeiten Eingang zu
den staatstragenden Bühnen? Karin Hochradl, ebenfalls skeptisch, was
Neuwirths Außenseiter-Rolle und ihre diesbezüglichen Lamenti betrifft,
sieht Neuwirths Erfolgsrezept in der Kraft, neue Sichtweisen zu provo-
zieren.82 Als das Charakteristikum ihrer Werke kann die gesellschaftskri-
tische Intention, alte und neue Werte in Frage zu stellen, neue Hör- und
80 Vgl. Peter Ruzicka, „Festspiele der Zukunft“, in: Michael Fischer, ed., Die Festspiele.
Wirklichkeit, Deutung, Zukunft (Salzburg: Residenz, 2012), 176–179.
81 Vgl. Helga Utz, „Anmerkungen zu nicht realisierten Projekten Olga Neuwirths“, in:
Stefan Drees, ed., Olga Neuwirth. Zwischen den Stühlen. A Twilight-Song auf der Su-
che nach dem fernen Klang (Salzburg: Anton Pustet, 2008), 366–371.
82 Karin Hochradl, „Olga Neuwirth/Elfriede Jelinek, Von bewussten, unbewussten
sowie dazwischen positionierten Komponenten der Musiktheaterkonzeptionen
Bählamms Fest und Lost Highway“, in: Jürgen Kühnel, Ulrich Müller und Oswald
Panagl, ed., Musiktheater der Gegenwart. Text, Komposition, Rezeption und Kanon-
bildung (Salzburg: Mueller-Speiser, 2008), 417–426. Hochradl spricht auch die „Ab-
sage des angeforderten Musiktheaterprojekts über den NS-Arzt Gross für das Mo-
zartjahr 2006“ an.
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