Page 61 - Weiss, Jernej, ur. 2019. Vloga nacionalnih opernih gledališč v 20. in 21. stoletju - The Role of National Opera Houses in the 20th and 21st Centuries. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 3
P. 61
tempel und kathedralen für die ernste und heilige musik
Zugangstreppen finden sich zwei Gemälde, Orpheus und die Heilige Cäci-
lia, die antike und die christliche Symbolgestalt der Musik. Der Saal selbst
wird von insgesamt 18 Komponistenbüsten vor kreisrunden Medaillons
geschmückt: Johann Sebastian Bach, Carl Philipp Emanuel Bach, Händel,
Hasse, Fasch, Naumann, Graun, Hiller, Dittersdorf, Benda, Gluck, Haydn,
Mozart, Winter, Reichardt, Carl Maria von Weber, Beethoven und Rom-
berg.2 Im Vorsaal des Konzertsaals (Parterre) waren „sechs Büsten nam-
hafter Theaterdichter aufgestellt, darunter Lessing, Goethe und Schiller“.3
1827 wurde hier die berühmte Iffland-Skulptur von Friedrich Tieck hin-
zugefügt.4 Im ersten Stock, dem Vorraum zur Galerie, fanden sich später
(1935) Büsten von Mendelssohn, Schumann, u. a.5
Lange musste Berlin auf einen repräsentativen Konzertsaal warten.
1888 wurde eine 1876 erbaute Rollschuhbahn an der Bernburger Straße
22a/23 in Berlin-Kreuzberg zu einem bestuhlten Konzertsaal ohne Tische
umgebaut. Die Wände des Saals sind durch Pilaster und Rundbögen ge-
gliedert, darin ist ringsum „in zartem Relief je ein von 2 geflügelten Ge-
nien getragenes Medaillon-Bild eines berühmten Musikers angeordnet.“6
Es handelt sich um insgesamt 16 Portraits, die ich noch nicht identifizie-
ren konnte.7
Der historische Prozess, auf den ich hier aufmerksam machen möch-
te, besteht in einem teilweisen Wandel der Bildausstattung von Opern- und
Konzerthäusern. Mit dem Rückgriff auf die Antike war ihre Ikonographie
von Figuren der griechischen Mythologie geprägt. Im 19. Jahrhundert wur-
den die antiken Götter zunehmend von Dichtern und Komponisten ver-
drängt, ohne deshalb zu verschwinden. Insbesondere im Bereich der Musik
bzw. der abgehobenen Ernsten Musik zeichnet sich darin die Entwicklung
zur Kunstreligion der Moderne mit Komponisten als obersten Göttern ab.
2 Adalbert Behr, Alfred Hoffmann, Das Schauspielhaus in Berlin, hrsg. von Erhardt
Gißke (Berlin: Verlag für Bauwesen, 1984), S. 78.
3 Behr, Hoffmann, Das Schauspielhaus in Berlin, S. 79.
4 Klaus Gerlach, „Theatralische Kunstführung und Oekonomie“, August Wilhelm Iff-
lands Berliner Bühne (Berlin-Boston: de Gruyter, 2015), Tafel 13.
5 Behr, Hoffmann, Das Schauspielhaus in Berlin, S. 90.
6 Zu Baugeschichte und Ausstattung siehe Deutsche Bauzeitung, Verband Deutscher
Architekten- und Ingenieurvereine, Architektenverein zu Berlin 23 (1889). Zugriff
27. 2. 2018, https://archive.org/stream/bub_gb_S5_mAAAAMAAJ/bub_gb_S5_
mAAAAMAAJ_djvu.txt. Hier wird auch auf Wandgemälde von Emil Doepler (d. J.)
hingewiesen.
7 „Die alte Berliner Philharmonie – Ein Berliner Mythos“, Katalog zur Ausstellung,
hrsg. von Oliver Hilmes (Berlin, 2016), war mir bislang nicht erreichbar.
59
Zugangstreppen finden sich zwei Gemälde, Orpheus und die Heilige Cäci-
lia, die antike und die christliche Symbolgestalt der Musik. Der Saal selbst
wird von insgesamt 18 Komponistenbüsten vor kreisrunden Medaillons
geschmückt: Johann Sebastian Bach, Carl Philipp Emanuel Bach, Händel,
Hasse, Fasch, Naumann, Graun, Hiller, Dittersdorf, Benda, Gluck, Haydn,
Mozart, Winter, Reichardt, Carl Maria von Weber, Beethoven und Rom-
berg.2 Im Vorsaal des Konzertsaals (Parterre) waren „sechs Büsten nam-
hafter Theaterdichter aufgestellt, darunter Lessing, Goethe und Schiller“.3
1827 wurde hier die berühmte Iffland-Skulptur von Friedrich Tieck hin-
zugefügt.4 Im ersten Stock, dem Vorraum zur Galerie, fanden sich später
(1935) Büsten von Mendelssohn, Schumann, u. a.5
Lange musste Berlin auf einen repräsentativen Konzertsaal warten.
1888 wurde eine 1876 erbaute Rollschuhbahn an der Bernburger Straße
22a/23 in Berlin-Kreuzberg zu einem bestuhlten Konzertsaal ohne Tische
umgebaut. Die Wände des Saals sind durch Pilaster und Rundbögen ge-
gliedert, darin ist ringsum „in zartem Relief je ein von 2 geflügelten Ge-
nien getragenes Medaillon-Bild eines berühmten Musikers angeordnet.“6
Es handelt sich um insgesamt 16 Portraits, die ich noch nicht identifizie-
ren konnte.7
Der historische Prozess, auf den ich hier aufmerksam machen möch-
te, besteht in einem teilweisen Wandel der Bildausstattung von Opern- und
Konzerthäusern. Mit dem Rückgriff auf die Antike war ihre Ikonographie
von Figuren der griechischen Mythologie geprägt. Im 19. Jahrhundert wur-
den die antiken Götter zunehmend von Dichtern und Komponisten ver-
drängt, ohne deshalb zu verschwinden. Insbesondere im Bereich der Musik
bzw. der abgehobenen Ernsten Musik zeichnet sich darin die Entwicklung
zur Kunstreligion der Moderne mit Komponisten als obersten Göttern ab.
2 Adalbert Behr, Alfred Hoffmann, Das Schauspielhaus in Berlin, hrsg. von Erhardt
Gißke (Berlin: Verlag für Bauwesen, 1984), S. 78.
3 Behr, Hoffmann, Das Schauspielhaus in Berlin, S. 79.
4 Klaus Gerlach, „Theatralische Kunstführung und Oekonomie“, August Wilhelm Iff-
lands Berliner Bühne (Berlin-Boston: de Gruyter, 2015), Tafel 13.
5 Behr, Hoffmann, Das Schauspielhaus in Berlin, S. 90.
6 Zu Baugeschichte und Ausstattung siehe Deutsche Bauzeitung, Verband Deutscher
Architekten- und Ingenieurvereine, Architektenverein zu Berlin 23 (1889). Zugriff
27. 2. 2018, https://archive.org/stream/bub_gb_S5_mAAAAMAAJ/bub_gb_S5_
mAAAAMAAJ_djvu.txt. Hier wird auch auf Wandgemälde von Emil Doepler (d. J.)
hingewiesen.
7 „Die alte Berliner Philharmonie – Ein Berliner Mythos“, Katalog zur Ausstellung,
hrsg. von Oliver Hilmes (Berlin, 2016), war mir bislang nicht erreichbar.
59