Page 65 - Weiss, Jernej, ur. 2019. Vloga nacionalnih opernih gledališč v 20. in 21. stoletju - The Role of National Opera Houses in the 20th and 21st Centuries. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 3
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tempel und kathedralen für die ernste und heilige musik
zeigt ein (fiktives) Treffen der Komponisten Smetana, Glinka, Napraw-
nik, Oginsky, Lipinsky, Balakirew, Dargomyschsky, Rimsky-Korsakow u.
a., d. h. russischer, polnischer und tschechischer Komponisten. Es ist 1872
im Zuge des russischen Panslawismus entstanden und von dem Kaufmann
Porochowschikow für sein Restaurant „Der Slawische Basar“ in Auftrag ge-
geben worden. Die Auswahl der Komponisten geht auf Nikolai Rubinstein
zurück, der ausdrücklich Tschaikowski ausschloss. Repin selbst wollte das
Bild noch um Mussorgsky und Borodin ergänzen, der Auftraggeber Po-
rochowschikow aber lehnte diese als „Dilettanten“ ab. Die Transferierung
des Bildes in das Moskauer Konservatorium deutet 1944 einen überreifen-
den Zusammenhang an und vielleicht auch eine imperiale Geste. Insge-
samt stellen die Veränderungen nach dem Zweiten Weltkrieg ikonogra-
phisch eine deutliche Stärkung des russischen Elements in der Galerie
großer Komponisten dar. Es stimmt mit anderen Beobachtungen überein,
dass die Zusammengehörigkeit der Musik in Europa bis zum Zweiten Welt-
krieg trotz der Ausbildung nationaler Schulen noch überwiegend funktio-
nierte und erst danach ein scharf abgrenzender Nationalismus Oberhand
gewann. Die Ikonographie des Moskauer Konservatoriums darf als pro-
grammatisch für das Selbstverständnis und die Ausrichtung der hier aus-
gebildeten russischen Musiker gelten.
Die St. Petersburger Philharmonie ist ursprünglich für Versamm-
lungen Adliger 1839 erbaut worden. Das Gebäude enthält keinen äußeren
oder inneren Bildschmuck, der auf seine Funktion als zentraler Konzertsaal
der Stadt hinweist. Dasselbe gilt für das Concertgebouw (Königliches Kon-
zertgebäude) in Amsterdam, das 1888 eröffnet wurde, und für die Carnegie
Hall in Manhattan/New York, 1897 fertiggestellt. Das Neue Concerthaus
zu Leipzig dagegen, 1884 eingeweiht, präsentierte an seine Fassade hoch
positioniert Mozart und Beethoven als Ganzkörperfiguren, an den Längs-
fassaden waren rechts und links je 4 weitere Komponistenstatuen geplant:
Bach, Haydn, Gluck und Händel. 1892 wurde das Mendelssohn-Denkmal
von Werner Stein vor dem Hauptportal errichtet, 1893 waren im Foyer drei
Büsten „von Johann Sebastian Bach, von Robert Schumann und von Carl
Reinecke“ aufgestellt.10 Das „zweite“ Gewandhaus war das architektonische
Vorbild für die 1900 entstandene Symphony Hall in Boston, der jedoch der
äußere Bilderschmuck fehlt, und die im Innern 16 Nachbildungen antiker
Statuen enthält.
10 Emil Kneschke, Die 150jährige Geschichte der Leipziger Gewandhaus-Conzerte 1743-
1893 (Leipzig-New York, 1893), S. 149.
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zeigt ein (fiktives) Treffen der Komponisten Smetana, Glinka, Napraw-
nik, Oginsky, Lipinsky, Balakirew, Dargomyschsky, Rimsky-Korsakow u.
a., d. h. russischer, polnischer und tschechischer Komponisten. Es ist 1872
im Zuge des russischen Panslawismus entstanden und von dem Kaufmann
Porochowschikow für sein Restaurant „Der Slawische Basar“ in Auftrag ge-
geben worden. Die Auswahl der Komponisten geht auf Nikolai Rubinstein
zurück, der ausdrücklich Tschaikowski ausschloss. Repin selbst wollte das
Bild noch um Mussorgsky und Borodin ergänzen, der Auftraggeber Po-
rochowschikow aber lehnte diese als „Dilettanten“ ab. Die Transferierung
des Bildes in das Moskauer Konservatorium deutet 1944 einen überreifen-
den Zusammenhang an und vielleicht auch eine imperiale Geste. Insge-
samt stellen die Veränderungen nach dem Zweiten Weltkrieg ikonogra-
phisch eine deutliche Stärkung des russischen Elements in der Galerie
großer Komponisten dar. Es stimmt mit anderen Beobachtungen überein,
dass die Zusammengehörigkeit der Musik in Europa bis zum Zweiten Welt-
krieg trotz der Ausbildung nationaler Schulen noch überwiegend funktio-
nierte und erst danach ein scharf abgrenzender Nationalismus Oberhand
gewann. Die Ikonographie des Moskauer Konservatoriums darf als pro-
grammatisch für das Selbstverständnis und die Ausrichtung der hier aus-
gebildeten russischen Musiker gelten.
Die St. Petersburger Philharmonie ist ursprünglich für Versamm-
lungen Adliger 1839 erbaut worden. Das Gebäude enthält keinen äußeren
oder inneren Bildschmuck, der auf seine Funktion als zentraler Konzertsaal
der Stadt hinweist. Dasselbe gilt für das Concertgebouw (Königliches Kon-
zertgebäude) in Amsterdam, das 1888 eröffnet wurde, und für die Carnegie
Hall in Manhattan/New York, 1897 fertiggestellt. Das Neue Concerthaus
zu Leipzig dagegen, 1884 eingeweiht, präsentierte an seine Fassade hoch
positioniert Mozart und Beethoven als Ganzkörperfiguren, an den Längs-
fassaden waren rechts und links je 4 weitere Komponistenstatuen geplant:
Bach, Haydn, Gluck und Händel. 1892 wurde das Mendelssohn-Denkmal
von Werner Stein vor dem Hauptportal errichtet, 1893 waren im Foyer drei
Büsten „von Johann Sebastian Bach, von Robert Schumann und von Carl
Reinecke“ aufgestellt.10 Das „zweite“ Gewandhaus war das architektonische
Vorbild für die 1900 entstandene Symphony Hall in Boston, der jedoch der
äußere Bilderschmuck fehlt, und die im Innern 16 Nachbildungen antiker
Statuen enthält.
10 Emil Kneschke, Die 150jährige Geschichte der Leipziger Gewandhaus-Conzerte 1743-
1893 (Leipzig-New York, 1893), S. 149.
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