Page 27 - Weiss, Jernej, ur. 2020. Konservatoriji: profesionalizacija in specializacija glasbenega dela ▪︎ The conservatories: professionalisation and specialisation of musical activity. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 4
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paris – pr ag – wien: zur frühen entwicklung musikpädagogischer konzepte
kern, und man hatte laut einem von Direktor Friedrich Dionys Weber er-
stellten, am 28. Mai 1810 vorgelegten ersten Lehrplan vor,
22 Schüler als der kleinste Inbegriff eines vollständigen Orchesters
aufzunehmen und alljährlich mit 13 Individuen zu vermehren, so
daß in 6 Jahren eine Summe von 87 Schülern erscheint.
Ein Sparentwurf sah für diese 6 Jahre hingegen nur „58 Individuen“13 vor,
die für professionelle Dienste einsetzbar sein würden. Aufgenommen wur-
den dann 1811 und 1813 je 49 „Schüler“, 1816 52 und 1819 47.14 – Eine Statistik
der Absolventen (Abbildung15) weist für 1817 (also nach 6 Jahren) die ersten
14 Abschlüsse auf, die 14 Absolventen des Jahres 1819 waren 1813 aufgenom-
men worden, die 19 des Jahres 1822 dann 1816.
In seinem Organisations-Entwurf hatte Direktor Weber auch betont,
daß es wichtig sei, auf die stilistische und musikästhetische Bildung der
Schüler zu achten; und ich zitiere aus seinem Entwurf, der zudem eine
sprachliche Meisterleistung darstellt:
Ein Orchester, dessen Glieder16 (mit Ausnahme einzelner Würdiger)
die gewöhnlichste Tonschrift nur gewöhnlich herunterlesen, ohne
zu fühlen, daß mit Geist, Beurteilung, Präzision und gehöriger Ak-
zentuation gelesen werden muß, dessen Glieder, entblößt von gram-
matischen und ästhetischen Kenntnissen, nur mit einem sehr be-
schränkten Mechanismus auf ihren Instrumenten durch den Strom
der Harmonien sich durchpoltern, dessen Glieder, sag’ ich, viel zu
wenig fest im Rhythmus ein Andante unvermerkt zum Allegro um-
schmelzen (woran leider der Anführer die größte Schuld trägt), des-
sen Glieder endlich aus unedlen Absichten ein Tonstück von gro-
ßem Umfange in der kürzesten Zeit ans Ende zu bringen streben,
durch unsinnige parforcejagende Tempos Tausende der Noten in
den Wind schlagen: ein solches Orchester kann nur unglückliche
Produktionen in auffallendster Karrikatur [!] hervorbringen. Der
Charakter des Tonstückes wird entstellt, die melodischen und har-
monischen Schönheiten im Dampfe der vesuvischen Eruption nicht
erkannt, vielweniger empfunden, und das Auditorium, von langer
Weile und Überdruß oder auch vom Lachen ergriffen, findet die
13 Ibid., 20f.
14 Ibid., 372.
15 Ibid., 378.
16 Gemeint sind die Mitglieder des Orchesters.
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kern, und man hatte laut einem von Direktor Friedrich Dionys Weber er-
stellten, am 28. Mai 1810 vorgelegten ersten Lehrplan vor,
22 Schüler als der kleinste Inbegriff eines vollständigen Orchesters
aufzunehmen und alljährlich mit 13 Individuen zu vermehren, so
daß in 6 Jahren eine Summe von 87 Schülern erscheint.
Ein Sparentwurf sah für diese 6 Jahre hingegen nur „58 Individuen“13 vor,
die für professionelle Dienste einsetzbar sein würden. Aufgenommen wur-
den dann 1811 und 1813 je 49 „Schüler“, 1816 52 und 1819 47.14 – Eine Statistik
der Absolventen (Abbildung15) weist für 1817 (also nach 6 Jahren) die ersten
14 Abschlüsse auf, die 14 Absolventen des Jahres 1819 waren 1813 aufgenom-
men worden, die 19 des Jahres 1822 dann 1816.
In seinem Organisations-Entwurf hatte Direktor Weber auch betont,
daß es wichtig sei, auf die stilistische und musikästhetische Bildung der
Schüler zu achten; und ich zitiere aus seinem Entwurf, der zudem eine
sprachliche Meisterleistung darstellt:
Ein Orchester, dessen Glieder16 (mit Ausnahme einzelner Würdiger)
die gewöhnlichste Tonschrift nur gewöhnlich herunterlesen, ohne
zu fühlen, daß mit Geist, Beurteilung, Präzision und gehöriger Ak-
zentuation gelesen werden muß, dessen Glieder, entblößt von gram-
matischen und ästhetischen Kenntnissen, nur mit einem sehr be-
schränkten Mechanismus auf ihren Instrumenten durch den Strom
der Harmonien sich durchpoltern, dessen Glieder, sag’ ich, viel zu
wenig fest im Rhythmus ein Andante unvermerkt zum Allegro um-
schmelzen (woran leider der Anführer die größte Schuld trägt), des-
sen Glieder endlich aus unedlen Absichten ein Tonstück von gro-
ßem Umfange in der kürzesten Zeit ans Ende zu bringen streben,
durch unsinnige parforcejagende Tempos Tausende der Noten in
den Wind schlagen: ein solches Orchester kann nur unglückliche
Produktionen in auffallendster Karrikatur [!] hervorbringen. Der
Charakter des Tonstückes wird entstellt, die melodischen und har-
monischen Schönheiten im Dampfe der vesuvischen Eruption nicht
erkannt, vielweniger empfunden, und das Auditorium, von langer
Weile und Überdruß oder auch vom Lachen ergriffen, findet die
13 Ibid., 20f.
14 Ibid., 372.
15 Ibid., 378.
16 Gemeint sind die Mitglieder des Orchesters.
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