Page 201 - Stati inu obstati, revija za vprašanja protestantizma, letnik XVII (2021), številka 33, ISSN 2590-9754
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povzetki, SYNOPSES, ZUSAMMENFASSUNGEN
Identität geprägt. Durch die landesfürstliche Gegenreformation wurde der Protestan-
tismus in den innerösterreichischen Ländern zwischen 1598 und 1628 zwar abgeschafft,
doch stützte sich die katholische Restauration auf einige seiner Errungenschaften. Für
die Entwicklung der Slowenen als ethnische Gemeinschaft sind vier reformatorische
Errungenschaften besonders wichtig, und zwar: 1) die Norm der Schriftsprache, 2) das
Konzept der Slowenischen Kirche, 3) der Mythos von der ethnischen Erwähltheit und
4) der Topos von der großen Reichweite der „slawischen“/slowenischen Sprache. Dem
ethnosymbolistischen Paradigma entsprechend wird daher angenommen, dass sich die
Slowenen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts von einer ethnischen Kategorie zu
einem ethnischen Netzwerk entwickelt haben.

Die ab Ende des ersten Jahrtausends zwar sporadisch niedergeschriebene sloweni-
sche Sprache betrat schließlich 1550 mit den ersten von Primož Trubar veröffentlichten
Büchern den Weg einer Schriftsprache. Das literarische Schaffen der Protestanten er-
reichte seinen Höhepunkt im Jahr 1584, als die Bibel-Übersetzung und die Grammatik
aus der Feder von Jurij Dalmatin beziehungsweise Adam Bohorič veröffentlicht wur-
den. Trubar ist des Weiteren auch der Ideenvater des Konzepts der „Slowenischen Kir-
che“, die die gesamte slowenisch sprachige christliche Gemeinschaft vereinen sollte. Sei-
ne Ideen stellte Trubar zum ersten Mal 1555 vor und vervollständigte sie in seiner Kir-
chenordnung (Cerkovna ordninga) aus dem Jahr 1564. Das konzeptionelle Programm,
das innerhalb der Kirchenverwaltung zwar nicht umgesetzt wurde, hat daraufhin maß-
geblich die Denkart sowohl protestantischer als auch späterer katholischer Schriftsteller
des 17. und 18. Jahrhunderts geprägt.

Auch der Ursprung des slowenischen Mythos von der ethnischen Erwähltheit, der
sich auf den Satz aus dem Brief des Paulus an die Römer „und jede Zunge wird Gott
preisen“ (Röm 14,11) bezieht, geht auf die Zeit der Reformation zurück und verbindet als
Maxime die wichtigsten Buchschöpfungen des behandelten Zeitraums. Darüber hinaus
stützten sich protestantische Autoren auf die humanistische Tradition und damit auf die
Betonung der breiten Reichweite der „slawischen“ Sprache, was tatsächlich dazu führ-
te, die Bedeutung der slowenischen Sprache zu steigern. Dieser Topos wurde zuerst von
Bohorič in die slowenische Grammatik eingeführt und stellt einen etwas späteren slo-
wenischen Einstieg in den „(inter)nationalen Wettbewerb um die nationale Ehre“ dar,
der in der Zeit des Humanismus in Europa entflammte.

Schlüsselwörter: Reformation, slowenische Ethnogenese, Norm der Schriftsprache,
Slowenische Kirche, (Proto)nationalismus

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