Page 161 - Weiss, Jernej, ur./ed. 2021. Opereta med obema svetovnima vojnama ▪︎ Operetta between the Two World Wars. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 5
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die ukrainische operette der 1920er und 1930er jahre ...
In dieser Zeit wurde im ukrainischen Milieu ein umfangreiches Reper-
toire gebildet, das nationale und europäische Trends kombinierte. Es um-
fasste nicht nur originelle Kompositionen lokaler Autoren, sondern auch
zahlreiche Arrangements ausländischer Hits (vor allem Tango, Foxtrott,
Shimmy, Charleston, Stepptanz usw.). Oft verbreiteten sich auch einzelne
Vokalnummern aus Operetten selbstständig als Schlager. Dazu kamen im
modernisierten Stil bearbeitete Gattungen von Volksliedern und Tänzen
(hier zumeist die Kolomyjka oder lyrische Lieder). Diese bunte Mischung
bildete in der Zwischenkriegsperiode die Basis der ukrainischen Populär-
musik, darunter auch der Operette. Vor diesem Hintergrund gibt es besse-
re Beispiele der ukrainischen Operette in Galizien, die die Linie der „nati-
onal-patriotischen Operette“ fortsetzen.
Die nach wie vor staatenlose ukrainische Bevölkerung Galiziens
brauchte die Operette, um das nationale Bewusstsein zu bewahren und
um die Befreiungskämpfe des Ersten Weltkriegs zu heroisieren und zu ro-
mantisieren. Dem wurden vor allem die Operetten von Jaroslaw Barnytsch
gerecht.23
Ein paar Worte zur Person des Komponisten: Jaroslaw Barnytsch
(1896–1967) hat den für den Großteil ukrainisch-galizischer Musikkünst-
ler seiner Generation typischen Weg beschritten. Er stammte aus einer in-
tellektuellen Familie (sein Vater war Direktor einer Schule in der Nähe der
Karpatenstadt Kolomyia), besuchte das Kolomyjaer Gymnasium und legte
im Oktober 1915 in Wien die Reifeprüfung ab. Anschließend zog er nach
Lemberg, wo er mit Kollegen ein Streichquartett gründete. Anfang der
1920er Jahre studierte er an der Lysenko-Hochschule für Musik in Lviv/
Lemberg, und zwar Dirigieren und Violinspiel bei dem tschechischen Pro-
fessor Milan Zuna und die theoretischen Disziplinen bei einem Absol-
venten von Vítěslav Novák am Prager Konservatorium, dem bekannten
ukrainischen Komponisten Vasyl Barvinsky. Im Jahre 1924 absolvierte
Barnytsh erfolgreich sein Musikstudium und schrieb sich gleichzeitig an
der Philosophischen Fakultät der Universität Lemberg ein. Später wurde er
zum künstlerischen Leiter und Dirigenten des Ukrainischen Theaters des
aufklärerischen Kulturvereins „Prosswita“ (dt. „Aufklärung“) in der hin-
terkarpatischen Stadt Ushgorod (1925–1926) ernannt. In den Jahren 1927–
23 Die Biographie von Jaroslaw Barnytsch wird nach folgender Quelle angeführt: Lu-
domyr Filonenko, „Про композитора Ярослава Барнича та його пісню ‚Гуцулка
Ксеня‘“ [Über den Komponisten Jaroslaw Barnytsch und sein Lied ‚Huzulka Kse-
nia‘], МІСТ: Мистецтво, історія, сучасність, теорія [KGGT: Kunst, Geschichte,
Gegenwart, Theorie], Nr. 4–5 (2008), 339–44.
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In dieser Zeit wurde im ukrainischen Milieu ein umfangreiches Reper-
toire gebildet, das nationale und europäische Trends kombinierte. Es um-
fasste nicht nur originelle Kompositionen lokaler Autoren, sondern auch
zahlreiche Arrangements ausländischer Hits (vor allem Tango, Foxtrott,
Shimmy, Charleston, Stepptanz usw.). Oft verbreiteten sich auch einzelne
Vokalnummern aus Operetten selbstständig als Schlager. Dazu kamen im
modernisierten Stil bearbeitete Gattungen von Volksliedern und Tänzen
(hier zumeist die Kolomyjka oder lyrische Lieder). Diese bunte Mischung
bildete in der Zwischenkriegsperiode die Basis der ukrainischen Populär-
musik, darunter auch der Operette. Vor diesem Hintergrund gibt es besse-
re Beispiele der ukrainischen Operette in Galizien, die die Linie der „nati-
onal-patriotischen Operette“ fortsetzen.
Die nach wie vor staatenlose ukrainische Bevölkerung Galiziens
brauchte die Operette, um das nationale Bewusstsein zu bewahren und
um die Befreiungskämpfe des Ersten Weltkriegs zu heroisieren und zu ro-
mantisieren. Dem wurden vor allem die Operetten von Jaroslaw Barnytsch
gerecht.23
Ein paar Worte zur Person des Komponisten: Jaroslaw Barnytsch
(1896–1967) hat den für den Großteil ukrainisch-galizischer Musikkünst-
ler seiner Generation typischen Weg beschritten. Er stammte aus einer in-
tellektuellen Familie (sein Vater war Direktor einer Schule in der Nähe der
Karpatenstadt Kolomyia), besuchte das Kolomyjaer Gymnasium und legte
im Oktober 1915 in Wien die Reifeprüfung ab. Anschließend zog er nach
Lemberg, wo er mit Kollegen ein Streichquartett gründete. Anfang der
1920er Jahre studierte er an der Lysenko-Hochschule für Musik in Lviv/
Lemberg, und zwar Dirigieren und Violinspiel bei dem tschechischen Pro-
fessor Milan Zuna und die theoretischen Disziplinen bei einem Absol-
venten von Vítěslav Novák am Prager Konservatorium, dem bekannten
ukrainischen Komponisten Vasyl Barvinsky. Im Jahre 1924 absolvierte
Barnytsh erfolgreich sein Musikstudium und schrieb sich gleichzeitig an
der Philosophischen Fakultät der Universität Lemberg ein. Später wurde er
zum künstlerischen Leiter und Dirigenten des Ukrainischen Theaters des
aufklärerischen Kulturvereins „Prosswita“ (dt. „Aufklärung“) in der hin-
terkarpatischen Stadt Ushgorod (1925–1926) ernannt. In den Jahren 1927–
23 Die Biographie von Jaroslaw Barnytsch wird nach folgender Quelle angeführt: Lu-
domyr Filonenko, „Про композитора Ярослава Барнича та його пісню ‚Гуцулка
Ксеня‘“ [Über den Komponisten Jaroslaw Barnytsch und sein Lied ‚Huzulka Kse-
nia‘], МІСТ: Мистецтво, історія, сучасність, теорія [KGGT: Kunst, Geschichte,
Gegenwart, Theorie], Nr. 4–5 (2008), 339–44.
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