Page 157 - Weiss, Jernej, ur./ed. 2021. Opereta med obema svetovnima vojnama ▪︎ Operetta between the Two World Wars. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 5
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die ukrainische operette der 1920er und 1930er jahre ...
und talentierte Ehefrau Olga Kropywnytska hat ihm als erste Zuhörerin
und Kritikerin viel geholfen.
Da die literarische Quelle jedoch dem russischen Klassiker gehörte,
erhoben diese Operetten keine Einwände gegen die Zensur. Gleichzeitig
forderten die hochgestellten Kulturbeamten die aktuellen revolutionären
Operetten. Vor dem Hintergrund von Massenbereinigungen und Hinrich-
tungen hielten es die Ideologen für sehr wichtig, ein positives, freudiges
Bild der sowjetischen Realität zu schaffen und die Ereignisse der Revoluti-
on zu romantisieren, um öffentliche Proteste zu vermeiden. In der Musik-
kunst sind vor allen Dingen drei Bereiche betroffen: die musikalische Film-
komödie, das Massenlied und die Operette.
Der Aufschwung des Massenliedes ist undenkbar ohne die in den
30er Jahren ungeheuer populäre Gattung der sowjetischen Filmko
mödie. Den Durchbruch erzielte G. Alexandrovs musikalische Ko
mödie ‚Fröhliche Burschen‘ (Веселые ребята, 1934)17.
Rjabow wurde, wie zahlreiche andere Künstler, dazu gezwungen, sich
auf diesen „richtigen schöpferischen Prozess“ einzulassen, und findet auch
in diesem Fall eine brillante Lösung: Er kreiert die revolutionäre roman-
tische Komödie Eine Hochzeit in Malinowka (1938), die auf den Texten sei-
nes ständigen Librettisten Leonid Juchwid basiert. Darin kombiniert der
Komponist Elemente der klassischen ukrainischen Komödie des Koryphä-
en-Theaters und eine eher komisch präsentierte revolutionäre Kollision.
Der Inhalt lässt sich aphoristisch durch den Satz erklären, der in der Ope-
rette oft wiederholt wird: „Wieder ändert sich die Macht“, denn der Ort der
Handlung ist ein Dorf, das einmal von den Anarchisten und dann wieder
von den Revolutionären erobert wird, sodass sich die Einwohner jedes Mal
an die neue Macht anpassen müssen. An dieser Stelle sei erwähnt, dass Le-
onid Juchwid aus Huljajpole stammte, demselben Dorf, in dem auch der als
„Vater Machno“ bekannte ukrainische Anarchistenführer Nestor Machno
zur Welt kam. So hat Juchwid die Ereignisse, die er später in seinem Stück
beschreibt, als Kind selbst beobachtet.
Die Premiere von Rjabows Operette mit schönen Liedern und Ensem-
bles feierte in Charkiw einen großen Erfolg. Dennoch beschreibt der Erfor-
17 Hans Günther, „Das Massenlied als Ausdruck des Mutterarchetypus in der sowje-
tischen Kultur“, in „Mein Russland“: Literarische Konzeptualisierungen und kultu
relle Projektionen. Wiener slawistischer Almanach (Sonderband 44), Hrsg. Aage A.
Hansen-Löve (München: Verlag Otto Sagner, 1997), 342, https://doi.org/10.3726/
b12849.
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und talentierte Ehefrau Olga Kropywnytska hat ihm als erste Zuhörerin
und Kritikerin viel geholfen.
Da die literarische Quelle jedoch dem russischen Klassiker gehörte,
erhoben diese Operetten keine Einwände gegen die Zensur. Gleichzeitig
forderten die hochgestellten Kulturbeamten die aktuellen revolutionären
Operetten. Vor dem Hintergrund von Massenbereinigungen und Hinrich-
tungen hielten es die Ideologen für sehr wichtig, ein positives, freudiges
Bild der sowjetischen Realität zu schaffen und die Ereignisse der Revoluti-
on zu romantisieren, um öffentliche Proteste zu vermeiden. In der Musik-
kunst sind vor allen Dingen drei Bereiche betroffen: die musikalische Film-
komödie, das Massenlied und die Operette.
Der Aufschwung des Massenliedes ist undenkbar ohne die in den
30er Jahren ungeheuer populäre Gattung der sowjetischen Filmko
mödie. Den Durchbruch erzielte G. Alexandrovs musikalische Ko
mödie ‚Fröhliche Burschen‘ (Веселые ребята, 1934)17.
Rjabow wurde, wie zahlreiche andere Künstler, dazu gezwungen, sich
auf diesen „richtigen schöpferischen Prozess“ einzulassen, und findet auch
in diesem Fall eine brillante Lösung: Er kreiert die revolutionäre roman-
tische Komödie Eine Hochzeit in Malinowka (1938), die auf den Texten sei-
nes ständigen Librettisten Leonid Juchwid basiert. Darin kombiniert der
Komponist Elemente der klassischen ukrainischen Komödie des Koryphä-
en-Theaters und eine eher komisch präsentierte revolutionäre Kollision.
Der Inhalt lässt sich aphoristisch durch den Satz erklären, der in der Ope-
rette oft wiederholt wird: „Wieder ändert sich die Macht“, denn der Ort der
Handlung ist ein Dorf, das einmal von den Anarchisten und dann wieder
von den Revolutionären erobert wird, sodass sich die Einwohner jedes Mal
an die neue Macht anpassen müssen. An dieser Stelle sei erwähnt, dass Le-
onid Juchwid aus Huljajpole stammte, demselben Dorf, in dem auch der als
„Vater Machno“ bekannte ukrainische Anarchistenführer Nestor Machno
zur Welt kam. So hat Juchwid die Ereignisse, die er später in seinem Stück
beschreibt, als Kind selbst beobachtet.
Die Premiere von Rjabows Operette mit schönen Liedern und Ensem-
bles feierte in Charkiw einen großen Erfolg. Dennoch beschreibt der Erfor-
17 Hans Günther, „Das Massenlied als Ausdruck des Mutterarchetypus in der sowje-
tischen Kultur“, in „Mein Russland“: Literarische Konzeptualisierungen und kultu
relle Projektionen. Wiener slawistischer Almanach (Sonderband 44), Hrsg. Aage A.
Hansen-Löve (München: Verlag Otto Sagner, 1997), 342, https://doi.org/10.3726/
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