Page 39 - Weiss, Jernej, ur./ed. 2023. Glasbena društva v dolgem 19. stoletju: med ljubiteljsko in profesionalno kulturo ▪︎ Music societies in the long 19th century: Between amateur and professional culture. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 6
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die gründung des deutschen sängerbundes (dsb) 1862 und das „österreich-problem“ ...
der Stände lächerliche Schranken.“43 Und nach der gescheiterten Revoluti-
on von 1848/49 erklärte er als Präsident des unmittelbar darauf gegründe-
ten Schwäbischen Sängerbundes auf dem ersten Bundesfest in Ulm 1850:
Stehen wir auch noch ferne von der politischen Einheit Deutsch
lands, so soll doch hier ein Band gewoben werden, welches allmä
lig alle deutsche Bruderstämme umschlingt […], gegründet werden
soll ein großer deutscher Sängerbund.44
Schon Otto Elben kommentierte diese Vision 1867 mit den Worten:
Man sieht, wie klar Pf[aff] bei seinem Streben den höheren natio
nalen Gehalt des volksthümlichen Instituts [i.e. des Gesangvereins;
der Verf.] erkannte, wie er das Lied als ein einigendes Band pflegte,
wie er damals schon auf einen deutschen Sängerbund abzielte.“45
Die wichtigsten „Stationen“ in der Geschichte des DSB bildeten die
Deutschen Sängerbundesfeste seit 1865 in Dresden; das letzte vor dem Zwei-
ten Weltkrieg fand 1937 in Breslau statt. In den Jahrzehnten dazwischen war
dem Deutschen Sängerbund in der erst verbotenen, dann jedoch ab 1908 im
Deutschen Arbeiter-Sängerbund (D.A.S.) organisierten, rasch aufblühenden
Arbeitersängerbewegung, bei der von Anfang an auch die Frauen gleich-
berechtigt mitwirkten, eine ernstzunehmende Konkurrenz erwachsen, die
dazu führte, dass sich auch der männerbündische DSB Anfang der 1930er
Jahre endlich dazu durchrang, ebenfalls Frauen als Mitglieder aufzuneh-
men. Mit der Auflösung des D.A.S. und seiner Mitgliedsvereine durch die
Nationalsozialisten und der Einführung des Arierparagraphen beginnt 1933
eines der dunkelsten Kapitel für die Amateurchorbewegung in Deutsch-
land.46 Doch dies gilt es im Vergleich etwa mit Österreich noch intensiver
zu untersuchen, wie Hartmut Krones bei seinen zahlreichen grundlegen-
den Studien, u.a. zu Hanns Eisler (1898–1962), immer wieder betont hat.47
43 Elben, „Karl Pfaff“, 8.
44 Ibid., 10.
45 Ibid., 10.
46 Dietmar Klenke, Peter Lilje und Franz Walter, Arbeitersänger und Volksbühnen in
der Weimarer Republik (Bonn: J. H. W. Dietz Nachf., 1992); Helmke Jan Keden, Zwi
schen „Singender Mannschaft“ und „Stählerner Romantik“. Die Ideologisierung des
deutschen Männergesangs im „Nationalsozialismus“ (Stuttgart, Weimar: J. B. Metz-
ler, 2003).
47 Hartmut Krones, „,Wir wollen Alles, was die Chorliteratur Schönes enthält, […] uns
zu eigen machen‘ (Josef Scheu). Zu Geschichte und Ideologie des Arbeitergesanges
in Österreich“, in 125 Jahre „Eintracht“ Innsbruck – 125 Jahre sozialdemokratischer
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der Stände lächerliche Schranken.“43 Und nach der gescheiterten Revoluti-
on von 1848/49 erklärte er als Präsident des unmittelbar darauf gegründe-
ten Schwäbischen Sängerbundes auf dem ersten Bundesfest in Ulm 1850:
Stehen wir auch noch ferne von der politischen Einheit Deutsch
lands, so soll doch hier ein Band gewoben werden, welches allmä
lig alle deutsche Bruderstämme umschlingt […], gegründet werden
soll ein großer deutscher Sängerbund.44
Schon Otto Elben kommentierte diese Vision 1867 mit den Worten:
Man sieht, wie klar Pf[aff] bei seinem Streben den höheren natio
nalen Gehalt des volksthümlichen Instituts [i.e. des Gesangvereins;
der Verf.] erkannte, wie er das Lied als ein einigendes Band pflegte,
wie er damals schon auf einen deutschen Sängerbund abzielte.“45
Die wichtigsten „Stationen“ in der Geschichte des DSB bildeten die
Deutschen Sängerbundesfeste seit 1865 in Dresden; das letzte vor dem Zwei-
ten Weltkrieg fand 1937 in Breslau statt. In den Jahrzehnten dazwischen war
dem Deutschen Sängerbund in der erst verbotenen, dann jedoch ab 1908 im
Deutschen Arbeiter-Sängerbund (D.A.S.) organisierten, rasch aufblühenden
Arbeitersängerbewegung, bei der von Anfang an auch die Frauen gleich-
berechtigt mitwirkten, eine ernstzunehmende Konkurrenz erwachsen, die
dazu führte, dass sich auch der männerbündische DSB Anfang der 1930er
Jahre endlich dazu durchrang, ebenfalls Frauen als Mitglieder aufzuneh-
men. Mit der Auflösung des D.A.S. und seiner Mitgliedsvereine durch die
Nationalsozialisten und der Einführung des Arierparagraphen beginnt 1933
eines der dunkelsten Kapitel für die Amateurchorbewegung in Deutsch-
land.46 Doch dies gilt es im Vergleich etwa mit Österreich noch intensiver
zu untersuchen, wie Hartmut Krones bei seinen zahlreichen grundlegen-
den Studien, u.a. zu Hanns Eisler (1898–1962), immer wieder betont hat.47
43 Elben, „Karl Pfaff“, 8.
44 Ibid., 10.
45 Ibid., 10.
46 Dietmar Klenke, Peter Lilje und Franz Walter, Arbeitersänger und Volksbühnen in
der Weimarer Republik (Bonn: J. H. W. Dietz Nachf., 1992); Helmke Jan Keden, Zwi
schen „Singender Mannschaft“ und „Stählerner Romantik“. Die Ideologisierung des
deutschen Männergesangs im „Nationalsozialismus“ (Stuttgart, Weimar: J. B. Metz-
ler, 2003).
47 Hartmut Krones, „,Wir wollen Alles, was die Chorliteratur Schönes enthält, […] uns
zu eigen machen‘ (Josef Scheu). Zu Geschichte und Ideologie des Arbeitergesanges
in Österreich“, in 125 Jahre „Eintracht“ Innsbruck – 125 Jahre sozialdemokratischer
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