Page 54 - Weiss, Jernej, ur./ed. 2023. Glasbena društva v dolgem 19. stoletju: med ljubiteljsko in profesionalno kulturo ▪︎ Music societies in the long 19th century: Between amateur and professional culture. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 6
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glasbena društva v dolgem 19. stoletju: med ljubiteljsko in profesionalno kulturo
tung der jeweiligen Konzertdirektoren der Gesellschaft stand (und somit
1872/73–1874/75 unter Johannes Brahms);23 erst ab 1927 ernannte man ei-
gene „Chordirektoren“. Zehn Jahre früher, 1863/64, hatte Brahms bereits
die „Singakademie“ geleitet, die nach Jahrzehnten freien Konzertierens 1913
zum Hauschor des Wiener Konzerthauses wurde.
Wir kommen zu den großen vereinsübergreifenden Chor-Bünden:
dem sogenannten „bürgerlichen“ „Sängerbund“ sowie dem „Arbeitersän-
gerbund“. Über ersteren hat ja bereits mein Freund Friedhelm Brusniak die
wichtigsten Details, besser: die größten Probleme referiert. Denn einen ös-
terreichischen Sängerbund gab es eigentlich nicht, lediglich Unter-Vereini-
gungen wie den 1863 gegründeten „Niederösterreichischen Sängerbund“,24
dem (als Beispiel) 1890 82 „Vereine“ angehörten25 (zu Niederösterreich ge-
hörte bis 1920 auch Wien, ehe es zu einem eigenständigen Bundesland auf-
stieg). 1881 wurde zwar die Gründung eines eigenständigen „Österreichi-
schen Sängerbundes“ angeregt, doch überwogen die Gegenstimmen – man
blieb Mitglied des Deutschen Sängerbundes. Und in diesem waren die Ös-
terreicher schließlich der Kreis XXI, der Wien, Niederösterreich und das
Burgenland umfaßte und seinen Namen 1924 in „Ostmärkischer Sänger-
bund“ änderte.26 Für diese Namensänderung war kein Hitler notwendig,
sie erfolgte freiwillig. – Im übrigen war dieser Sängerbund ein reiner Män-
nerbund; Frauen wurden erst 1933 in die Vereinigung aufgenommen, aller-
dings ohne passives Wahlrecht für die Gremien,27 und es dauerte äußerst
lange, bis sich Frauen- und gemischte Chöre tatsächlich als gleichberech-
tigt durchsetzten.
Anders war dies in den Chören der Arbeitervereinigungen,28 die im
Zuge der Revolution von 1848 gegründet wurden: In Österreich war dies
23 Geschichte der k. k. Gesellschaft der Musikfreunde in Wien [vorgebunden: 1. Abtei-
lung: 1812–1870, verfasst von Richard von Perger] 2. Abteilung: 1870–1912, verfasst
von Dr. Robert Hirschfeld (Wien: Selbstverlag, 1912), 147–62.
24 Siehe Paulus Ebner, Strukturen des Musiklebens in Wien. Zum musikalischen Ver
einsleben in der Ersten Republik (= Musikleben. Studien zur Musikgeschichte Öster
reichs, Band 5), Hrsg. Friedrich C. Heller (Frankfurt am Main: Lang, 1996), 53.
25 Frommes Musikalische Welt [1890], 196.
26 Siehe Ebner. Strukturen des Musiklebens in Wien, 53, sowie Hartmut Krones, „Das
20. und 21. Jahrhundert (Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart)“, in Wien. Mu
sikgeschichte. Von der Prähistorie bis zur Gegenwart (= Geschichte der Stadt Wien 7),
Hrsg. Elisabeth Th. Fritz-Hilscher und Helmut Kretschmer (Wien, Berlin: Lit, 2011),
359–485, hier 453f.
27 Ebner. Strukturen des Musiklebens in Wien, 59.
28 Hiezu siehe Hartmut Krones, „‘Wir wollen Alles, was die Chorliteratur Schönes ent-
hält, [...] uns zu eigen machen‘ (Josef Scheu). Zu Geschichte und Ideologie des Ar-
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tung der jeweiligen Konzertdirektoren der Gesellschaft stand (und somit
1872/73–1874/75 unter Johannes Brahms);23 erst ab 1927 ernannte man ei-
gene „Chordirektoren“. Zehn Jahre früher, 1863/64, hatte Brahms bereits
die „Singakademie“ geleitet, die nach Jahrzehnten freien Konzertierens 1913
zum Hauschor des Wiener Konzerthauses wurde.
Wir kommen zu den großen vereinsübergreifenden Chor-Bünden:
dem sogenannten „bürgerlichen“ „Sängerbund“ sowie dem „Arbeitersän-
gerbund“. Über ersteren hat ja bereits mein Freund Friedhelm Brusniak die
wichtigsten Details, besser: die größten Probleme referiert. Denn einen ös-
terreichischen Sängerbund gab es eigentlich nicht, lediglich Unter-Vereini-
gungen wie den 1863 gegründeten „Niederösterreichischen Sängerbund“,24
dem (als Beispiel) 1890 82 „Vereine“ angehörten25 (zu Niederösterreich ge-
hörte bis 1920 auch Wien, ehe es zu einem eigenständigen Bundesland auf-
stieg). 1881 wurde zwar die Gründung eines eigenständigen „Österreichi-
schen Sängerbundes“ angeregt, doch überwogen die Gegenstimmen – man
blieb Mitglied des Deutschen Sängerbundes. Und in diesem waren die Ös-
terreicher schließlich der Kreis XXI, der Wien, Niederösterreich und das
Burgenland umfaßte und seinen Namen 1924 in „Ostmärkischer Sänger-
bund“ änderte.26 Für diese Namensänderung war kein Hitler notwendig,
sie erfolgte freiwillig. – Im übrigen war dieser Sängerbund ein reiner Män-
nerbund; Frauen wurden erst 1933 in die Vereinigung aufgenommen, aller-
dings ohne passives Wahlrecht für die Gremien,27 und es dauerte äußerst
lange, bis sich Frauen- und gemischte Chöre tatsächlich als gleichberech-
tigt durchsetzten.
Anders war dies in den Chören der Arbeitervereinigungen,28 die im
Zuge der Revolution von 1848 gegründet wurden: In Österreich war dies
23 Geschichte der k. k. Gesellschaft der Musikfreunde in Wien [vorgebunden: 1. Abtei-
lung: 1812–1870, verfasst von Richard von Perger] 2. Abteilung: 1870–1912, verfasst
von Dr. Robert Hirschfeld (Wien: Selbstverlag, 1912), 147–62.
24 Siehe Paulus Ebner, Strukturen des Musiklebens in Wien. Zum musikalischen Ver
einsleben in der Ersten Republik (= Musikleben. Studien zur Musikgeschichte Öster
reichs, Band 5), Hrsg. Friedrich C. Heller (Frankfurt am Main: Lang, 1996), 53.
25 Frommes Musikalische Welt [1890], 196.
26 Siehe Ebner. Strukturen des Musiklebens in Wien, 53, sowie Hartmut Krones, „Das
20. und 21. Jahrhundert (Vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart)“, in Wien. Mu
sikgeschichte. Von der Prähistorie bis zur Gegenwart (= Geschichte der Stadt Wien 7),
Hrsg. Elisabeth Th. Fritz-Hilscher und Helmut Kretschmer (Wien, Berlin: Lit, 2011),
359–485, hier 453f.
27 Ebner. Strukturen des Musiklebens in Wien, 59.
28 Hiezu siehe Hartmut Krones, „‘Wir wollen Alles, was die Chorliteratur Schönes ent-
hält, [...] uns zu eigen machen‘ (Josef Scheu). Zu Geschichte und Ideologie des Ar-
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