Page 24 - Weiss, Jernej, ur./ed. 2025. Glasbena interpretacija: med umetniškim in znanstvenim┊Music Interpretation: Between the Artistic and the Scientific. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 8
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            wird, weil erstmals alle Prinzipien der bis heute gültigen „Philharmoni-
            schen Idee“ verwirklicht wurden:
            –    nur ein Mitglied des Orchesters der Wiener Staatsoper (früher: k.
                 k. Hofoper) kann Mitglied der Wiener Philharmoniker werden;
            –    es bestehen Eigenverantwortlichkeit und Unabhängigkeit in kün-
                 stlerischer, organisatorischer und finanzieller Hinsicht;
            –    alle wichtigen Entscheidungen werden von der Hauptver-
                 sammlung der aktiven Mitglieder auf demokratische Weise
                 getroffen;
            –    die Verwaltungsarbeit wird von einem demokratisch gewählten
                 Ausschuss, dem zwölfköpfigen Komitee, durchgeführt.
                 Neben dem finanziellen Anreiz, den die Veranstaltung eigener Kon-
            zerte bot, waren es zwei Faktoren, welche die Musiker dazu bewogen, den
            Orchestergraben mit dem Konzertpodium zu vertauschen: künstlerisches
            Bemühen – das ideelle Movens war die adäquate Auseinandersetzung mit
            dem symphonischen Werk Beethovens – sowie Streben nach Unabhängig-
            keit und Freiheit. Ob als „Philharmonische Concerte“, wie die Eigenver-
            anstaltungen in der Ära Nicolais genannt wurden, ob als „Philharmoni-
            sche Concert=Unternehmung“, wie man sich ab 1860 bezeichnete, ob als
            jener behördlich genehmigte Verein, der die Wiener Philharmoniker seit
            1908 sind – stets handelte es sich um den freiwilligen Zusammenschluss der
            Mitglieder des (Hof-)Opernorchesters.
                 Trotz größter Erfolge unter Nicolais Leitung war die Zusammenarbeit
            zwischen dem genialen, aber autoritären Künstler und dem von der neuen
            Rolle als selbständiger Veranstalter zunächst überforderten Orchester von
            Zerwürfnissen überschattet. Als jedoch Nicolai 1847 Wien für immer ver-
            ließ, brach das junge Unternehmen beinahe zusammen, fehlte ihm doch
            mit einem Schlag der künstlerische und administrative Leiter. Die Revolu-
            tionen des Jahres 1848 taten ein Übriges, und so kam es zu zwölf Jahren der
            Stagnation, während denen das demoralisierte Ensemble nur zehn Konzer-
            te zu veranstalten wagte.
                 Schließlich brachte eine Neueinführung die ersehnte Wende: Im Jän-
            ner  1860 fand  das erste  von  vier Abonnementkonzerten unter  der  Lei-
            tung des damaligen Operndirektors Carl Eckert statt. Seither bestehen die
            „Philharmonischen Konzerte“ ohne Unterbrechung und erfuhren als ein-
            zige grundlegende Änderung den Wechsel vom jeweils für die Dauer einer
            Saison gewählten „Abonnementdirigenten“ (der dann sämtliche Konzerte


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