Page 25 - Weiss, Jernej, ur./ed. 2025. Glasbena interpretacija: med umetniškim in znanstvenim┊Music Interpretation: Between the Artistic and the Scientific. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 8
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die wiener philharmoniker: geschichte und struktur
            einer Spielzeit leitete und in der Hauptversammlung und in den Komi-
            teesitzungen den Vorsitz führte) zum Gastdirigentensystem, wie folgende
            Zeittafel veranschaulicht:

                            1860                           Carl Eckert
                          1860–1875                        Otto Dessoff
                          1875–1882                        Hans Richter
                          1882/1883                        Wilhelm Jahn
                          1883–1898                        Hans Richter
                          1898–1901                       Gustav Mahler
                          1901–1903                   Joseph Hellmesberger jun.
                          1903–1908                       Gastdirigenten
                          1908–1927                     Felix von Weingartner
                          1927–1930                     Wilhelm Furtwängler
                          1930–1933                       Clemens Krauss
                          seit 1933                       Gastdirigenten

                 Durch das Gastdirigentensystem ist das Orchester in der glücklichen
            Lage, mit allen Spitzendirigenten regelmäßig aufzutreten, wobei es sich in
            den meisten Fällen nicht „nur“ um eine Zusammenarbeit handelt, sondern
            um langjährige Freundschaft. Die demokratische Selbstverwaltung ermög-
            licht eine Intensität der künstlerischen Beziehungen, die nur auf dieser Ba-
            sis realisierbar ist – der Umstand, dass man miteinander musiziert, aber
            auch gemeinsam Projekte diskutiert und plant, ohne dass eine Intendanz
            oder kulturpolitische Instanz „zwischengeschaltet“ ist, ermöglicht Ver-
            bindungen über viele Jahrzehnte: Der „dienstälteste“ Dirigent der Wiener
            Philharmoniker, Zubin Mehta, debütierte 1961, Riccardo Muti 1971, und mit
            mehreren anderen Künstlern, etwa mit Herbert von Karajan, Lorin Maazel
            oder Georges Prêtre, konnte das „Goldene Jubiläum“ einer 50-jährigen Zu-
            sammenarbeit gefeiert werden. Am besten hat vielleicht Richard Strauss
            den Charakter dieser Verbindungen getroffen, wenn er 1942 anlässlich der
            100-Jahr-Feier des Orchesters schrieb:

                 Eure künstlerischen Leistungen werden von den begeisterten Zuhörern
                 der ganzen Welt umjubelt. Ich möchte mein Lob heute nur in zwei kur-
                 ze Sätze fassen: ‚Nur wer die Wiener Philharmoniker dirigiert hat, weiß,
                 was sie – sind!’ Doch das bleibt unser eigenstes Geheimniß! Ihr versteht
                 mich schon: hier – wie am Pult! 1
            1    Historisches  Archiv der Wiener  Philharmoniker  (HA/WPH),  Br-St-12-042  (Brief
                 vom 18. Februar 1942).


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