Page 227 - Vinkler, Jonatan, in Jernej Weiss. ur. 2014. Musica et Artes: ob osemdesetletnici Primoža Kureta. Koper: Založba Univerze na Primorskem.
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řák und hiawatha – versuch einer literarischen lesart ...
ten Satz, bei der oben erwähnten zitathaften Replik aus dem ersten Satz, die
Kopfmotive beider Themen ebenso eng verkoppelt erscheinen wie dann noch
einmal in der finalischen Coda der Sinfonie, wo offenkundig die Verklärung
des Helden gemeinsam mit Minehaha klingend inszeniert wird.
Während die ersten beiden Sätze sich auf private Episoden aus Hiawat-
has „Heldenleben“ zu konzentrieren scheinen, erfolgt mit den beiden fol-
genden Stücken gewissermaßen ein Blickwechsel hin zum politischen Schick-
sal der Völker, deren Versöhnung und friedliches Zusammenleben der Held
laut göttlichem Auftrag zu stiften hat. Zum Scherzo hat Dvořák lakonisch
angemerkt, es sei durch den Festtanz der Indianer zur Hochzeit Hiawathas –
einer weiteren Episode bei Longfellow – angeregt worden. Das ist zurecht ge-
legentlich als merkwürdig empfunden worden, weil es im Hinblick auf den
vorher erfahrenen Tod Minehahas als deplatziert und anachronistisch emp-
funden wird. Schwerer aber wiegt die Tatsache, wenn man der für die Sin-
fonie insgesamt charakteristischen (gern aber auch überbewerteten) Dicho-
thomie von teils indianisch, teils böhmisch inspirierten Intonationsfeldern
folgt, dass das hier angeschlagene rhythmisch derbe und harmonisch leicht
fremdartige Tanz-Kolorit bestenfalls für den Hauptsatz und seine Wieder-
holungen gelten kann. Der Seitensatz und vor allem das walzernde Trio stüt-
zen sich fast unstilisiert auf volksmusikalische Idiome aus Dvořáks Heimat,
wenn nicht gar auf jenen „gemütlich“ wiegenden Trio-Typus, wie er schon be-
sonders bei Franz Schubert begegnet. So würde man dem Sinn des Scherzos
wohl eher beikommen, wenn man das musikalische Geschehen als Gleich-
nis einer friedlichen Koexistenz zwischen „indianischen“ und „weißen“ Kul-
turen deutet, wie es auch mit einem christlichen Vorboten thematisiert hat.
Dass zwischen Seitensatz und verkürzter Wiederholung des Hauptsatzes,
dann in der Überleitung zum Trio sowie in der Coda mit dramatischer Zu-
spitzung Hiawathas Horn-Thema erneut episodisch und gleichsam exterrito-
rial aufgerufen wird, ist formell von der zyklischen Idee des ganzen Werks her
leicht, dagegen inhaltlich nicht umstandslos zu begründen. Wäre das Scher-
zo Hiawathas Traum von einem friedlichen Reigen der Völker, dann würde
die hier am Ende wachsende Präsenz „seines“ Themas wohl andeuten, dass
die künftige Realisierung dieses Traums kaum ohne Wachsamkeit und Be-
wachung in „seinem“ Geiste, in Erinnerung an seine friedliche Mission, zu
haben sein dürfte.
Im Finale, einem veritablen Sonatensatz mit zunächst dramatisch zuge-
spitzter, dann jedoch befreiend triumphalischer Coda, dürfte diese dann
doch nicht gänzlich konfliktfrei sich gestaltende Realisierung zum Gegen-
stand des musikalischen Prozesses avancieren. Man erlebt zunächst in der Ex-
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ten Satz, bei der oben erwähnten zitathaften Replik aus dem ersten Satz, die
Kopfmotive beider Themen ebenso eng verkoppelt erscheinen wie dann noch
einmal in der finalischen Coda der Sinfonie, wo offenkundig die Verklärung
des Helden gemeinsam mit Minehaha klingend inszeniert wird.
Während die ersten beiden Sätze sich auf private Episoden aus Hiawat-
has „Heldenleben“ zu konzentrieren scheinen, erfolgt mit den beiden fol-
genden Stücken gewissermaßen ein Blickwechsel hin zum politischen Schick-
sal der Völker, deren Versöhnung und friedliches Zusammenleben der Held
laut göttlichem Auftrag zu stiften hat. Zum Scherzo hat Dvořák lakonisch
angemerkt, es sei durch den Festtanz der Indianer zur Hochzeit Hiawathas –
einer weiteren Episode bei Longfellow – angeregt worden. Das ist zurecht ge-
legentlich als merkwürdig empfunden worden, weil es im Hinblick auf den
vorher erfahrenen Tod Minehahas als deplatziert und anachronistisch emp-
funden wird. Schwerer aber wiegt die Tatsache, wenn man der für die Sin-
fonie insgesamt charakteristischen (gern aber auch überbewerteten) Dicho-
thomie von teils indianisch, teils böhmisch inspirierten Intonationsfeldern
folgt, dass das hier angeschlagene rhythmisch derbe und harmonisch leicht
fremdartige Tanz-Kolorit bestenfalls für den Hauptsatz und seine Wieder-
holungen gelten kann. Der Seitensatz und vor allem das walzernde Trio stüt-
zen sich fast unstilisiert auf volksmusikalische Idiome aus Dvořáks Heimat,
wenn nicht gar auf jenen „gemütlich“ wiegenden Trio-Typus, wie er schon be-
sonders bei Franz Schubert begegnet. So würde man dem Sinn des Scherzos
wohl eher beikommen, wenn man das musikalische Geschehen als Gleich-
nis einer friedlichen Koexistenz zwischen „indianischen“ und „weißen“ Kul-
turen deutet, wie es auch mit einem christlichen Vorboten thematisiert hat.
Dass zwischen Seitensatz und verkürzter Wiederholung des Hauptsatzes,
dann in der Überleitung zum Trio sowie in der Coda mit dramatischer Zu-
spitzung Hiawathas Horn-Thema erneut episodisch und gleichsam exterrito-
rial aufgerufen wird, ist formell von der zyklischen Idee des ganzen Werks her
leicht, dagegen inhaltlich nicht umstandslos zu begründen. Wäre das Scher-
zo Hiawathas Traum von einem friedlichen Reigen der Völker, dann würde
die hier am Ende wachsende Präsenz „seines“ Themas wohl andeuten, dass
die künftige Realisierung dieses Traums kaum ohne Wachsamkeit und Be-
wachung in „seinem“ Geiste, in Erinnerung an seine friedliche Mission, zu
haben sein dürfte.
Im Finale, einem veritablen Sonatensatz mit zunächst dramatisch zuge-
spitzter, dann jedoch befreiend triumphalischer Coda, dürfte diese dann
doch nicht gänzlich konfliktfrei sich gestaltende Realisierung zum Gegen-
stand des musikalischen Prozesses avancieren. Man erlebt zunächst in der Ex-
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