Page 153 - Weiss, Jernej, ur. 2019. Vloga nacionalnih opernih gledališč v 20. in 21. stoletju - The Role of National Opera Houses in the 20th and 21st Centuries. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 3
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oper als markt: opernaufführung als marketing-trick
dern vor allem psychologische „Küche“ dieses Fachs in jener Zeiten ent-
hüllt, oder noch früher an das prägnante literarische Werk von Denise Di-
derot „Rameaus Neffe“11, in welchem die Widersprüchlichkeit der Personen
des Opernkomponisten überliefert ist.
Die Attraktivität von Opernsängern und Komponisten als Prototypen
literarischer Helden über mehrere Jahrhunderte zeugt vor allem von dem
hohen sozialen Status, der ihnen zugewiesen wurde, wenn auch nicht in der
wirklichen sozialen Hierarchie, sondern im System der geistigen und intel-
lektuellen Werte. Ihre materielle Situation konnte auch seit Jahrhunderten
in einem gewaltigen Ausmaß schwanken – von dem recht fürstlichen Ni-
veau zum halb verhungerten Dasein eines in Ungnade gefallenen „Komödi-
anten“. Manchmal konnte dieses Schicksal derselben Person widerfahren.
Diese Bedingung erklärt auch den oben erwähnten professionellen Cha-
rakter, weil sie im sehr ungünstigen sozialen Milieu überleben mussten.
Opernkomponisten in diesem Sinne hatten eine sicherere Position,
aber nur, wenn sie sich routinemäßig um andere Stellenangebote bemüh-
ten, nicht nur mit dem Operntheater verbunden waren. Mit solch einem
genetisch vererbten Instinkt im Beruf und der Anpassung an die Situation
war es nicht einfach, sich um jene höheren geistigen Ideale zu kümmern,
die ihre künstlerischen Ambitionen völlig unterordnen würden.
Eine andere Situation entstand in der Opernwelt heute. Meistens be-
vorzugt der Kunstmarkt jene Opern, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahr-
hunderts und im 19. Jahrhundert geschrieben wurden, mit Ausnahme von
J. Puccini‘s Opern und der zahlreichen anderen zeitgenössischen Bühnen-
werke. Meistens doch gehören die Opern des 20. Jahrhunderts zu künst-
lerischen Phänomenen für die intellektuelle Elite, aber keinesfalls für das
breite Publikum, das vielmehr eine „alte, schöne Oper“ bevorzugt, aber all-
mählich gar keine Oper mehr braucht und diese durch andere Kunstwerte
ersetzt. Hier erlaube ich mir, ein Gespräch mit Professor Helmut Loos er-
wähnen, als er beklagte, dass es im Wörterbuch der fliegenden Wörter kein
Wort aus Operntexten mehr gibt. In diesem Sinne sägte die gegenwärtige
Oper während der letzten 100 Jahre den Ast ab, auf dem sie einst saß,. Um
ihre Nische in der künstlerischen Welt der Gegenwart zu bewahren, bietet
der Markt der „Opernwaren und Dienstleistungen“ zahlreiche und manch-
mal recht extravagante Weisen seines erfolgreichen Verkaufs.
11 Bemerkenswert erscheint, dass der Roman erstmals in deutscher Übersetzung von J.
W. von Goethe gedruckt wurde.
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dern vor allem psychologische „Küche“ dieses Fachs in jener Zeiten ent-
hüllt, oder noch früher an das prägnante literarische Werk von Denise Di-
derot „Rameaus Neffe“11, in welchem die Widersprüchlichkeit der Personen
des Opernkomponisten überliefert ist.
Die Attraktivität von Opernsängern und Komponisten als Prototypen
literarischer Helden über mehrere Jahrhunderte zeugt vor allem von dem
hohen sozialen Status, der ihnen zugewiesen wurde, wenn auch nicht in der
wirklichen sozialen Hierarchie, sondern im System der geistigen und intel-
lektuellen Werte. Ihre materielle Situation konnte auch seit Jahrhunderten
in einem gewaltigen Ausmaß schwanken – von dem recht fürstlichen Ni-
veau zum halb verhungerten Dasein eines in Ungnade gefallenen „Komödi-
anten“. Manchmal konnte dieses Schicksal derselben Person widerfahren.
Diese Bedingung erklärt auch den oben erwähnten professionellen Cha-
rakter, weil sie im sehr ungünstigen sozialen Milieu überleben mussten.
Opernkomponisten in diesem Sinne hatten eine sicherere Position,
aber nur, wenn sie sich routinemäßig um andere Stellenangebote bemüh-
ten, nicht nur mit dem Operntheater verbunden waren. Mit solch einem
genetisch vererbten Instinkt im Beruf und der Anpassung an die Situation
war es nicht einfach, sich um jene höheren geistigen Ideale zu kümmern,
die ihre künstlerischen Ambitionen völlig unterordnen würden.
Eine andere Situation entstand in der Opernwelt heute. Meistens be-
vorzugt der Kunstmarkt jene Opern, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahr-
hunderts und im 19. Jahrhundert geschrieben wurden, mit Ausnahme von
J. Puccini‘s Opern und der zahlreichen anderen zeitgenössischen Bühnen-
werke. Meistens doch gehören die Opern des 20. Jahrhunderts zu künst-
lerischen Phänomenen für die intellektuelle Elite, aber keinesfalls für das
breite Publikum, das vielmehr eine „alte, schöne Oper“ bevorzugt, aber all-
mählich gar keine Oper mehr braucht und diese durch andere Kunstwerte
ersetzt. Hier erlaube ich mir, ein Gespräch mit Professor Helmut Loos er-
wähnen, als er beklagte, dass es im Wörterbuch der fliegenden Wörter kein
Wort aus Operntexten mehr gibt. In diesem Sinne sägte die gegenwärtige
Oper während der letzten 100 Jahre den Ast ab, auf dem sie einst saß,. Um
ihre Nische in der künstlerischen Welt der Gegenwart zu bewahren, bietet
der Markt der „Opernwaren und Dienstleistungen“ zahlreiche und manch-
mal recht extravagante Weisen seines erfolgreichen Verkaufs.
11 Bemerkenswert erscheint, dass der Roman erstmals in deutscher Übersetzung von J.
W. von Goethe gedruckt wurde.
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