Page 150 - Weiss, Jernej, ur. 2019. Vloga nacionalnih opernih gledališč v 20. in 21. stoletju - The Role of National Opera Houses in the 20th and 21st Centuries. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 3
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vloga nacionalnih opernih gledališč v 20. in 21. stoletju
schen“, „hohen“ und „niedrigen“, „elitären“ und „demokratischen“ Werte,
letztendlich die Gegenüberstellung des „Dramas“ und der „Musik“. Aber in
erster Reihe bemüht man darum,
die kosmopolitischen Ideen der Mittelklasse stärker zu reflektieren,
als die Interessen der Aristokratie… Alles sollte nun den Prinzipien
von Ökonomie, Einfachheit, Natürlichkeit, Wahrscheinlichkeit
und Schlichtheit des Ausdrucks folgen. Weder den Sängern, noch
dem Publikum war es mehr erlaubt, in die prunkvollen Extravag-
anzen zu schwelgen.8
Das 19. Jahrhundert – die Romantik: die Etablierung einer nationalen
vereinigenden Idee als Hauptaufgabe der Oper, eine Rückkehr zur natio-
nalen Mythologie und Geschichte, der Erwerb eines Opernstatus, der nicht
so sehr rein künstlerisch, sondern eher zu einem gesellschaftspolitischen
Phänomen wurde. Die Oper wurde zu einer künstlerischen Schlüsselka-
tegorie der nationalen Komponistenschulen und spielte nach dem Völker-
frühling 1848 eine äußerst wichtige Rolle bei der Gestaltung des nationalen
Bewusstseins. Man führt einige weitbekannte Beispiele an. Im Kampf um
die Unabhängigkeit Italiens wurde der Name Giuseppe Verdi als eine Pa-
role verstanden, die überraschenderweise eine Abkürzung (Viktor Ema-
nuil Rex di Italia) enthielt. Es ist üblich, über Stanislav Moniuszko´s Oper
als nationales Symbol Polens oder über das Bühnenwerk von Bedřich Sme-
tana als Symbol von Tschechen zu sprechen. Wenn man die ästhetischen
Schriften von Wladimir Stasow liest, wo er die relevanten Forderungen zu
den Opern der Komponisten des „Mächtigen Häufleins“ erhob, merkt man
klar, dass diese Forderungen vielmehr sozial, national und patriotisch als
rein künstlerisch bestimmt sind. Der Begründer der ukrainischen Kompo-
nistenschule Mykola Lyssenko stand wegen der patriotischen Gefühle sei-
ner Oper bei der zaristischen Polizei auf der Liste verdächtiger Personen.
Das 20. Jahrhundert – die endgültige Rezeption der Oper als elitäre
Gattung, die Verwandlung der Oper in ein Objekt des intensiven künst-
lerischen Experiments, ein entscheidender Weg zum „musikalischen Dra-
ma“, das nur für die intellektuelle Wahrnehmung bestimmt ist, nur auf
die „Geweihten und Gewählten“ bezogen. Daneben entsteht eine kom-
pensatorische Form der Oper – zuerst das Musical, dann die sog. Rocko-
per. Als beste Vorbilde jener könnte man „Jesus Christ – Superstar“ und
8 Ibid., 490.
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schen“, „hohen“ und „niedrigen“, „elitären“ und „demokratischen“ Werte,
letztendlich die Gegenüberstellung des „Dramas“ und der „Musik“. Aber in
erster Reihe bemüht man darum,
die kosmopolitischen Ideen der Mittelklasse stärker zu reflektieren,
als die Interessen der Aristokratie… Alles sollte nun den Prinzipien
von Ökonomie, Einfachheit, Natürlichkeit, Wahrscheinlichkeit
und Schlichtheit des Ausdrucks folgen. Weder den Sängern, noch
dem Publikum war es mehr erlaubt, in die prunkvollen Extravag-
anzen zu schwelgen.8
Das 19. Jahrhundert – die Romantik: die Etablierung einer nationalen
vereinigenden Idee als Hauptaufgabe der Oper, eine Rückkehr zur natio-
nalen Mythologie und Geschichte, der Erwerb eines Opernstatus, der nicht
so sehr rein künstlerisch, sondern eher zu einem gesellschaftspolitischen
Phänomen wurde. Die Oper wurde zu einer künstlerischen Schlüsselka-
tegorie der nationalen Komponistenschulen und spielte nach dem Völker-
frühling 1848 eine äußerst wichtige Rolle bei der Gestaltung des nationalen
Bewusstseins. Man führt einige weitbekannte Beispiele an. Im Kampf um
die Unabhängigkeit Italiens wurde der Name Giuseppe Verdi als eine Pa-
role verstanden, die überraschenderweise eine Abkürzung (Viktor Ema-
nuil Rex di Italia) enthielt. Es ist üblich, über Stanislav Moniuszko´s Oper
als nationales Symbol Polens oder über das Bühnenwerk von Bedřich Sme-
tana als Symbol von Tschechen zu sprechen. Wenn man die ästhetischen
Schriften von Wladimir Stasow liest, wo er die relevanten Forderungen zu
den Opern der Komponisten des „Mächtigen Häufleins“ erhob, merkt man
klar, dass diese Forderungen vielmehr sozial, national und patriotisch als
rein künstlerisch bestimmt sind. Der Begründer der ukrainischen Kompo-
nistenschule Mykola Lyssenko stand wegen der patriotischen Gefühle sei-
ner Oper bei der zaristischen Polizei auf der Liste verdächtiger Personen.
Das 20. Jahrhundert – die endgültige Rezeption der Oper als elitäre
Gattung, die Verwandlung der Oper in ein Objekt des intensiven künst-
lerischen Experiments, ein entscheidender Weg zum „musikalischen Dra-
ma“, das nur für die intellektuelle Wahrnehmung bestimmt ist, nur auf
die „Geweihten und Gewählten“ bezogen. Daneben entsteht eine kom-
pensatorische Form der Oper – zuerst das Musical, dann die sog. Rocko-
per. Als beste Vorbilde jener könnte man „Jesus Christ – Superstar“ und
8 Ibid., 490.
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