Page 36 - Weiss, Jernej, ur. 2020. Konservatoriji: profesionalizacija in specializacija glasbenega dela ▪︎ The conservatories: professionalisation and specialisation of musical activity. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 4
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konservator iji: profesionalizacija in specializacija glasbenega dela
Von der Erlernung des Gesanges kann kein Zögling ausgenommen
werden, da der Gesang die Grundlage der Musik ist; übrigens wird
es sich im Verfolg des Lehrkurses zeigen, zu welchem Instrument
dieser oder jener Zögling von seinem Genius hingezogen wird, wo-
nach der Director seine Ausbildung einzurichten hat.
Die – heute wieder aktuelle – Bestimmung, daß alle Zöglinge zuerst
„die Elemente der Musik und des Gesanges“43 zu erlernen hätten, bevor sie
sich für ein Instrument entscheiden, blieb noch lange erhalten und wur-
de erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts nach und nach aufgeweicht; aller-
dings unter dem Aspekt, daß man diesen Bereich – damals – in der Volks-
schule abgedeckt wußte und daß das Aufnahmealter etwas stieg. Zunächst
wurden die Kinder nämlich ab dem vollendeten 8. Lebensjahr aufgenom-
men, welches Limit später 10 Jahre (für die „Vorbildungsschule“) betrug.
Aus organisatorischen und finanziellen Gründen wurde Mosel dann
aber erst am 4. März 1815 mit der Ausarbeitung von Statuten beauftragt, die
er schließlich der Ausschuß-Sitzung vom 9. Mai 1816 vorlegte. Auf insge-
samt 61 großen Seiten wird hier, ausgehend von Vergleichen mit Struktur
und Lehrangebot der Konservatorien von Paris und Prag, der Plan einer
musikalischen Lehranstalt entworfen, wobei Mosel zu dem Schluß kommt,
daß keine der beiden Vorgängeranstalten als „unbedingtes Vorbild“ die-
nen könne. Einerseits sei das Wiener Conservatorium als „rein musikali-
sche Anstalt“ ohne Ausbildung in der „Deklamazion“ gedacht, andererseits
müsse man auf die ursprünglich ebenfalls bedachten allgemeinbildenden
Fächer verzichten. Allerdings wolle man in einem kleinen Ausmaß doch
die in Prag nicht bedachte „Deklamazion“ lehren, da sie „unerläßlich für
den guten Gesang überhaupt, und für den dramatischen Gesang insbeson-
dere“ sei. Auch den Tanzmeister sollte man aus Paris übernehmen, dies
aber, weil auch der Sänger „sich schicklich und gefällig bewegen und sich ges-
tisch äußern“ solle. Umgekehrt würde in Paris keine Ästhetik unterrichtet,
welches in Prag unterrichtete Fach „eben so achtungs- als nachahmungs-
würdig“ sei. Schließlich werden noch didaktische Grundzüge, Tagesproble-
me, Stellenpläne, Pflichten der Lehrer und Schüler, aber auch „oekonomi-
sche Verwaltung“ und Organisation bedacht.
Insgesamt sah Mosel einen vierjährigen Lehrkurs vor, der in zwei je-
weils zwei Jahre währende „Klassen“ geteilt war. Wenn man bedenkt, daß
die Zöglinge bei ihrem Eintritt eventuell nur 8 Jahre zählten, so ist offen-
sichtlich, daß es sich hier zunächst nur um eine elementare Musikschu-
43 Instruction von 1832.
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Von der Erlernung des Gesanges kann kein Zögling ausgenommen
werden, da der Gesang die Grundlage der Musik ist; übrigens wird
es sich im Verfolg des Lehrkurses zeigen, zu welchem Instrument
dieser oder jener Zögling von seinem Genius hingezogen wird, wo-
nach der Director seine Ausbildung einzurichten hat.
Die – heute wieder aktuelle – Bestimmung, daß alle Zöglinge zuerst
„die Elemente der Musik und des Gesanges“43 zu erlernen hätten, bevor sie
sich für ein Instrument entscheiden, blieb noch lange erhalten und wur-
de erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts nach und nach aufgeweicht; aller-
dings unter dem Aspekt, daß man diesen Bereich – damals – in der Volks-
schule abgedeckt wußte und daß das Aufnahmealter etwas stieg. Zunächst
wurden die Kinder nämlich ab dem vollendeten 8. Lebensjahr aufgenom-
men, welches Limit später 10 Jahre (für die „Vorbildungsschule“) betrug.
Aus organisatorischen und finanziellen Gründen wurde Mosel dann
aber erst am 4. März 1815 mit der Ausarbeitung von Statuten beauftragt, die
er schließlich der Ausschuß-Sitzung vom 9. Mai 1816 vorlegte. Auf insge-
samt 61 großen Seiten wird hier, ausgehend von Vergleichen mit Struktur
und Lehrangebot der Konservatorien von Paris und Prag, der Plan einer
musikalischen Lehranstalt entworfen, wobei Mosel zu dem Schluß kommt,
daß keine der beiden Vorgängeranstalten als „unbedingtes Vorbild“ die-
nen könne. Einerseits sei das Wiener Conservatorium als „rein musikali-
sche Anstalt“ ohne Ausbildung in der „Deklamazion“ gedacht, andererseits
müsse man auf die ursprünglich ebenfalls bedachten allgemeinbildenden
Fächer verzichten. Allerdings wolle man in einem kleinen Ausmaß doch
die in Prag nicht bedachte „Deklamazion“ lehren, da sie „unerläßlich für
den guten Gesang überhaupt, und für den dramatischen Gesang insbeson-
dere“ sei. Auch den Tanzmeister sollte man aus Paris übernehmen, dies
aber, weil auch der Sänger „sich schicklich und gefällig bewegen und sich ges-
tisch äußern“ solle. Umgekehrt würde in Paris keine Ästhetik unterrichtet,
welches in Prag unterrichtete Fach „eben so achtungs- als nachahmungs-
würdig“ sei. Schließlich werden noch didaktische Grundzüge, Tagesproble-
me, Stellenpläne, Pflichten der Lehrer und Schüler, aber auch „oekonomi-
sche Verwaltung“ und Organisation bedacht.
Insgesamt sah Mosel einen vierjährigen Lehrkurs vor, der in zwei je-
weils zwei Jahre währende „Klassen“ geteilt war. Wenn man bedenkt, daß
die Zöglinge bei ihrem Eintritt eventuell nur 8 Jahre zählten, so ist offen-
sichtlich, daß es sich hier zunächst nur um eine elementare Musikschu-
43 Instruction von 1832.
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