Page 200 - Weiss, Jernej, ur./ed. 2024. Glasbena kritika – nekoč in danes ▪︎ Music Criticism – Yesterday and Today. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 7
P. 200
glasbena kritika – nekoč in danes | music criticism – yesterday and today
oder ausschließlich der Musik, die er sich irgendwann als favorisiertes
Sujet gewählt hat (oder die ihm als Sujet zugewiesen wurde). Musikali-
sches Hintergrundwesen hat er sich entweder durch in musikwissen-
schaftliches Studium oder durch persönliche Hör- und Leseerfahrung
erarbeitet. Praktische Musikerfahrungen produktiver oder reprodukti-
ver Art sind möglich, aber nicht zwingend. Sein Hauptinteresse gilt der
geschriebenen Sprache, dementsprechend verwendet er große Sorgfalt
auf einzelne Formulierungen, einen ausgefeilten, seiner persönlichen
Verbal-Ästhetik entsprechenden Stil, um als ebenso gewissenhafter wie
virtuoser Autor erkannt und anerkannt zu werden. Musik, sosehr er sie
kennen und schätzen mag, dient ihn letztens hauptsächlich als Mittel
zum Zweck verbaler Darstellung.10
Hingegen, der zweite von Döpfner hervorgehobenen Typ ist eher ein
schreibkundiger Musiker, der zum gewissen Zeitpunkt die Enge seiner
Fachsparte begriff und zu deren Erweiterung neigte:
Der schreibkundiger Instrumentalist oder Komponist begreift sich in
erster Linie als Musiker. Er hat den Beruf aus Liebe am Musizieren oder
Komponieren, das er selbst einmal aktiv betrieben hat, gewählt. Der
Kritiker-Profession geht er oft nach, weil die Erkenntnis eigener Leis-
tungs- und Karriere-Grenzen als Instrumentalist oder Komponist ei-
nen Berufswechsel nahgelegt hat. Mit gewissen verbalen Fähigkeiten
begabt, hat er auf diese Weise die Möglichkeit, sich weiter mit Musik zu
beschäftigen und obendrein auf Rezeptionstendenzen Einfluss zu neh-
men. Musikalische Kompetenz schöpft er aus praktischen Erfahrungen,
das sprachlich-stilistische Rüstzeug erwirbt er in wesentlichen durch
Lesen anderer Rezensionen. Formulierungen und Stilfragen sind für
ihn von sekundärer Bedeutung. Ihm geht es darum, als kompetenter
Musikkenner vor allem in Musikerkreisen geschätzt zu werden. Spra-
che, sosehr sich sein Sensorium dafür im Laufe seiner Arbeit geschärft
haben mag, dient ihm letztens hauptsächlich als Mittel, um weiterhin
am Musikleben zu partizipieren.11
Dieter Heß schlägt eine allgemein für Kulturjournalisten gültig und je
nach Spezialisierungsgrad differenzierte Typologie, unter die wie folgend
zu unterscheiden sind:
Kulturjournalistische Spezialisten [...] besitzen intensive Kenntnisse
in einzelnen Kulturbereichen und sind häufig eigens als Film-, Kunst-,
Musik-, Theater- oder Literaturkritiker die Kultur-Fachzeitschriften
10 Döpfner, Musikkritik in Deutschland, 80.
11 Ibid.
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oder ausschließlich der Musik, die er sich irgendwann als favorisiertes
Sujet gewählt hat (oder die ihm als Sujet zugewiesen wurde). Musikali-
sches Hintergrundwesen hat er sich entweder durch in musikwissen-
schaftliches Studium oder durch persönliche Hör- und Leseerfahrung
erarbeitet. Praktische Musikerfahrungen produktiver oder reprodukti-
ver Art sind möglich, aber nicht zwingend. Sein Hauptinteresse gilt der
geschriebenen Sprache, dementsprechend verwendet er große Sorgfalt
auf einzelne Formulierungen, einen ausgefeilten, seiner persönlichen
Verbal-Ästhetik entsprechenden Stil, um als ebenso gewissenhafter wie
virtuoser Autor erkannt und anerkannt zu werden. Musik, sosehr er sie
kennen und schätzen mag, dient ihn letztens hauptsächlich als Mittel
zum Zweck verbaler Darstellung.10
Hingegen, der zweite von Döpfner hervorgehobenen Typ ist eher ein
schreibkundiger Musiker, der zum gewissen Zeitpunkt die Enge seiner
Fachsparte begriff und zu deren Erweiterung neigte:
Der schreibkundiger Instrumentalist oder Komponist begreift sich in
erster Linie als Musiker. Er hat den Beruf aus Liebe am Musizieren oder
Komponieren, das er selbst einmal aktiv betrieben hat, gewählt. Der
Kritiker-Profession geht er oft nach, weil die Erkenntnis eigener Leis-
tungs- und Karriere-Grenzen als Instrumentalist oder Komponist ei-
nen Berufswechsel nahgelegt hat. Mit gewissen verbalen Fähigkeiten
begabt, hat er auf diese Weise die Möglichkeit, sich weiter mit Musik zu
beschäftigen und obendrein auf Rezeptionstendenzen Einfluss zu neh-
men. Musikalische Kompetenz schöpft er aus praktischen Erfahrungen,
das sprachlich-stilistische Rüstzeug erwirbt er in wesentlichen durch
Lesen anderer Rezensionen. Formulierungen und Stilfragen sind für
ihn von sekundärer Bedeutung. Ihm geht es darum, als kompetenter
Musikkenner vor allem in Musikerkreisen geschätzt zu werden. Spra-
che, sosehr sich sein Sensorium dafür im Laufe seiner Arbeit geschärft
haben mag, dient ihm letztens hauptsächlich als Mittel, um weiterhin
am Musikleben zu partizipieren.11
Dieter Heß schlägt eine allgemein für Kulturjournalisten gültig und je
nach Spezialisierungsgrad differenzierte Typologie, unter die wie folgend
zu unterscheiden sind:
Kulturjournalistische Spezialisten [...] besitzen intensive Kenntnisse
in einzelnen Kulturbereichen und sind häufig eigens als Film-, Kunst-,
Musik-, Theater- oder Literaturkritiker die Kultur-Fachzeitschriften
10 Döpfner, Musikkritik in Deutschland, 80.
11 Ibid.
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