Page 202 - Weiss, Jernej, ur./ed. 2024. Glasbena kritika – nekoč in danes ▪︎ Music Criticism – Yesterday and Today. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 7
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glasbena kritika – nekoč in danes | music criticism – yesterday and today
Der „Hanslick-Typ“ von Kommunikatoren ist auch heute gut bekannt.
Es sind meistens die Autoren, die über fundierte Kenntnisse bzw. Fach-
ausbildung in Bereich Musikwissenschaft verfügen. Ihre Texte sind auf
gründliche Analyse des angegebenen Themas gezielt und oft von der spe-
zifischen Fachterminologie überladen. Auch die Darstellungsformauswahl
ist meistens zur Rezension beschränkt. Zu Vorteilen dieses Kommunika-
torentyps gehören Kompetenz, komparative Fähigkeiten und solide Wis-
sen, die Nachteilen sind besonders in alltäglichem massenmedialem Be-
trieb bemerkbar: „Hanslick“ orientiert sich selten, wenn auch überhaupt,
auf relativ große und anonyme Rezipientenschar. Auch die handwerkliche
journalistische „Kleinigkeiten“ wie angegebene Textgröße oder feste Re-
daktionsschlusszeiten sind ihm oft zu bedeutungslos, um darüber zu küm-
mern. Ferner beherrscht der „Hanslick“ meistens kaum das journalistische
Instrumentarium, auch in Interview schenkt er sich selber mehr Beachtung
als seinem Gesprächspartner. Typische „Hanslick“-Ansagen beinhalten oft
das Personalpronomen „Ich“ und sind von gewisser Subjektivität geprägt.
„Hanslick“ bleibt bis heute den Geboten der „höhen“ Musikkritik treu,
wenn auch sein Publikum in Massenmedien je weiter, desto knapper wird.
Dieser Typ trifft man am häufigsten unter den „kulturjournalistischen
Spezialisten“ (Heß) oder „fachkundigen Musikern“ (Döpfner), die in der
ersten Reihe sich auszuschreiben versuchen und weniger um Leserschaft
sich kümmern.
Darüber hinaus neigt der zweite Typ der Kommunikatoren im Musik-
journalismus, den man als „Rellstab“ bezeichnen kann, zur gewissen Affi-
nität zwischen musikkritischen und rein journalistischen Antrieben. Dem
Vater Johann Karl (1759–1813) und besonders dem Sohn Ludwig Rellstab hat
Musikjournalismus in der Tagespresse seinen Anfängen zu verdanken: Jo-
hann Karl war vom 1806 bis zu seinem Todesjahr bei der „Vossischen Zei-
tung“ tätig, Ludwig Rellstab übernahm sein Dienst in 1826. Obwohl auch
er nicht immer von subjektiven Urteilen frei war, was z. B. Robert Schu-
mann dazu veranlasste, ihm als „Rellstab, der Philister par excellence“15 zu
bezeichnen, übte Rellstab seine alltägliche journalistische Tätigkeit meis-
tens gekonnt und routiniert. Auch Reus behauptet, dass gerade dank Lud-
wig Rellstab etablierte sich Musikjournalismus in der Tagespresse16. Alleine
die Idee, ein neues Klavierwerk von geradezu populär gewordenem Kom-
ponisten als „Mondscheinsonate“ zu bezeichnen kann man heute nicht an-
15 Gustav Jansen, Die Davidsbündler (Leipzig: Breitkopf und Härtel, 1883), 192.
16 Reus, Musikjournalismus, 316f.
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Der „Hanslick-Typ“ von Kommunikatoren ist auch heute gut bekannt.
Es sind meistens die Autoren, die über fundierte Kenntnisse bzw. Fach-
ausbildung in Bereich Musikwissenschaft verfügen. Ihre Texte sind auf
gründliche Analyse des angegebenen Themas gezielt und oft von der spe-
zifischen Fachterminologie überladen. Auch die Darstellungsformauswahl
ist meistens zur Rezension beschränkt. Zu Vorteilen dieses Kommunika-
torentyps gehören Kompetenz, komparative Fähigkeiten und solide Wis-
sen, die Nachteilen sind besonders in alltäglichem massenmedialem Be-
trieb bemerkbar: „Hanslick“ orientiert sich selten, wenn auch überhaupt,
auf relativ große und anonyme Rezipientenschar. Auch die handwerkliche
journalistische „Kleinigkeiten“ wie angegebene Textgröße oder feste Re-
daktionsschlusszeiten sind ihm oft zu bedeutungslos, um darüber zu küm-
mern. Ferner beherrscht der „Hanslick“ meistens kaum das journalistische
Instrumentarium, auch in Interview schenkt er sich selber mehr Beachtung
als seinem Gesprächspartner. Typische „Hanslick“-Ansagen beinhalten oft
das Personalpronomen „Ich“ und sind von gewisser Subjektivität geprägt.
„Hanslick“ bleibt bis heute den Geboten der „höhen“ Musikkritik treu,
wenn auch sein Publikum in Massenmedien je weiter, desto knapper wird.
Dieser Typ trifft man am häufigsten unter den „kulturjournalistischen
Spezialisten“ (Heß) oder „fachkundigen Musikern“ (Döpfner), die in der
ersten Reihe sich auszuschreiben versuchen und weniger um Leserschaft
sich kümmern.
Darüber hinaus neigt der zweite Typ der Kommunikatoren im Musik-
journalismus, den man als „Rellstab“ bezeichnen kann, zur gewissen Affi-
nität zwischen musikkritischen und rein journalistischen Antrieben. Dem
Vater Johann Karl (1759–1813) und besonders dem Sohn Ludwig Rellstab hat
Musikjournalismus in der Tagespresse seinen Anfängen zu verdanken: Jo-
hann Karl war vom 1806 bis zu seinem Todesjahr bei der „Vossischen Zei-
tung“ tätig, Ludwig Rellstab übernahm sein Dienst in 1826. Obwohl auch
er nicht immer von subjektiven Urteilen frei war, was z. B. Robert Schu-
mann dazu veranlasste, ihm als „Rellstab, der Philister par excellence“15 zu
bezeichnen, übte Rellstab seine alltägliche journalistische Tätigkeit meis-
tens gekonnt und routiniert. Auch Reus behauptet, dass gerade dank Lud-
wig Rellstab etablierte sich Musikjournalismus in der Tagespresse16. Alleine
die Idee, ein neues Klavierwerk von geradezu populär gewordenem Kom-
ponisten als „Mondscheinsonate“ zu bezeichnen kann man heute nicht an-
15 Gustav Jansen, Die Davidsbündler (Leipzig: Breitkopf und Härtel, 1883), 192.
16 Reus, Musikjournalismus, 316f.
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