Page 56 - Weiss, Jernej, ur./ed. 2024. Glasbena kritika – nekoč in danes ▪︎ Music Criticism – Yesterday and Today. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 7
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glasbena kritika – nekoč in danes | music criticism – yesterday and today
Für unser, den Musikkritiker Hugo Wolf in Augenschein nehmendes
Thema wichtig ist die Tatsache, daß ihn sein Freund und Förderer, der Ju-
welier Heinrich Köchert, zum Wiener Salonblatt vermittelt hatte und dort
regelmäßig inserierte, womit er indirekt, aber ganz gezielt, Wolfs Hono-
rar (60 Gulden pro Monat) beglich: „Sooft Köchert die Rechnung für Insera-
te bezahlte, legte er noch eine Summe bei, die als Gehalt an Wolf ausbezahlt
wurde.“11 Mit insgesamt 112 Beiträgen griff Wolf Jänner 1884 in die aufge-
heizte „musikalische Parteienlandschaft“ Wiens ein, wobei er offen Partei
für die sogenannten „Neudeutschen“ um Richard Wagner und Franz Liszt
ergriff, sogenannte „Klassizisten“ wie (vor allem) Johannes Brahms aber
deutlich ablehnte.12 Mit oft überaus sarkastischen Rezensionen schmähte
er seiner Meinung nach einfallslose und langweilige Kompositionen, wäh-
rend er andere Werke mit hymnischen Worten in den Himmel hob. Gleich
seine erste Kritik vom 20. Jänner 1884 („Jänner“, nicht „Januar“) zeigt uns,
wie wenig der an jenem Tag noch mit „x. y.“ unterschreibende Hugo Wolf
gewillt war, gängige Meinungen zu akzeptieren. Wir lesen hier in der Ru-
brik „Concerte.“:
Das letzte philharmonische Concert wurde mit Berlioz’ geistsprühen-
der Ouverture „Le carnaval romain“13 eröffnet, welche vom Publikum
als eine willkommene Huldigung an den Fasching aufgefaßt, wie im-
mer kräftig durchschlug. Minder gefiel R.[obert] Fuchs’ liebenswür-
dige, aber wenig originelle C-Dur=Serenade für Streichorchester, am
Wenigsten eine neue Symphonie von Sgambati, deren zahlreiche ins-
trumentale Pikanterien den Besuchern der philharmonischen Matinée
absolut nicht eingingen.14
Auch Schuberts „kleine“ C-Dur-Symphonie, die „Sechste“, wurde Ziel
einiger Kritik:
11 Frank Walker, Hugo Wolf. Eine Biographie (Graz, Wien, Köln: Styria, 1953), 202. Vgl.
Langberg, Hugo Wolf, 285.
12 Hiezu siehe auch: Dolf Lindner, „Der Kritiker Hugo Wolf. Einblick in sein Verhält-
nis zu Komponisten, Musikern und Sängern“, Österreichische Musikzeitschrift 15
(Februar 1960): 70–5, hier 71–4.
13 Das Salonblatt bediente sich in zeitgemäßer Weise der Fraktur-Schrift, hob aber
Fremdsprachliches (und somit auch fremdsprachliche Titel sowie Spezialbuchsta-
ben) durch lateinische Lettern ab. Um dies in gleichsam originaler Weise zu do-
kumentieren, sind im folgenden längere Zitate kursiviert, Fremdsprachliches aber
nicht; somit sind hier „La carnaval romain“ sowie später das „é“ von „Matinée“ ge-
mäß dem Original mit nicht kursivierten Lettern geschrieben.
14 x. y., „Concerte“, Wiener Salonblatt XV, Nr. 4 (20. Jänner 1884): 7.
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Für unser, den Musikkritiker Hugo Wolf in Augenschein nehmendes
Thema wichtig ist die Tatsache, daß ihn sein Freund und Förderer, der Ju-
welier Heinrich Köchert, zum Wiener Salonblatt vermittelt hatte und dort
regelmäßig inserierte, womit er indirekt, aber ganz gezielt, Wolfs Hono-
rar (60 Gulden pro Monat) beglich: „Sooft Köchert die Rechnung für Insera-
te bezahlte, legte er noch eine Summe bei, die als Gehalt an Wolf ausbezahlt
wurde.“11 Mit insgesamt 112 Beiträgen griff Wolf Jänner 1884 in die aufge-
heizte „musikalische Parteienlandschaft“ Wiens ein, wobei er offen Partei
für die sogenannten „Neudeutschen“ um Richard Wagner und Franz Liszt
ergriff, sogenannte „Klassizisten“ wie (vor allem) Johannes Brahms aber
deutlich ablehnte.12 Mit oft überaus sarkastischen Rezensionen schmähte
er seiner Meinung nach einfallslose und langweilige Kompositionen, wäh-
rend er andere Werke mit hymnischen Worten in den Himmel hob. Gleich
seine erste Kritik vom 20. Jänner 1884 („Jänner“, nicht „Januar“) zeigt uns,
wie wenig der an jenem Tag noch mit „x. y.“ unterschreibende Hugo Wolf
gewillt war, gängige Meinungen zu akzeptieren. Wir lesen hier in der Ru-
brik „Concerte.“:
Das letzte philharmonische Concert wurde mit Berlioz’ geistsprühen-
der Ouverture „Le carnaval romain“13 eröffnet, welche vom Publikum
als eine willkommene Huldigung an den Fasching aufgefaßt, wie im-
mer kräftig durchschlug. Minder gefiel R.[obert] Fuchs’ liebenswür-
dige, aber wenig originelle C-Dur=Serenade für Streichorchester, am
Wenigsten eine neue Symphonie von Sgambati, deren zahlreiche ins-
trumentale Pikanterien den Besuchern der philharmonischen Matinée
absolut nicht eingingen.14
Auch Schuberts „kleine“ C-Dur-Symphonie, die „Sechste“, wurde Ziel
einiger Kritik:
11 Frank Walker, Hugo Wolf. Eine Biographie (Graz, Wien, Köln: Styria, 1953), 202. Vgl.
Langberg, Hugo Wolf, 285.
12 Hiezu siehe auch: Dolf Lindner, „Der Kritiker Hugo Wolf. Einblick in sein Verhält-
nis zu Komponisten, Musikern und Sängern“, Österreichische Musikzeitschrift 15
(Februar 1960): 70–5, hier 71–4.
13 Das Salonblatt bediente sich in zeitgemäßer Weise der Fraktur-Schrift, hob aber
Fremdsprachliches (und somit auch fremdsprachliche Titel sowie Spezialbuchsta-
ben) durch lateinische Lettern ab. Um dies in gleichsam originaler Weise zu do-
kumentieren, sind im folgenden längere Zitate kursiviert, Fremdsprachliches aber
nicht; somit sind hier „La carnaval romain“ sowie später das „é“ von „Matinée“ ge-
mäß dem Original mit nicht kursivierten Lettern geschrieben.
14 x. y., „Concerte“, Wiener Salonblatt XV, Nr. 4 (20. Jänner 1884): 7.
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