Page 77 - Weiss, Jernej, ur./ed. 2025. Glasbena interpretacija: med umetniškim in znanstvenim┊Music Interpretation: Between the Artistic and the Scientific. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 8
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die etwas andere „wiener schule“: eduard steuermann und seine lemberger schüler
            beiden traten, durch die Konzertdirektion Georg Kugel vermittelt, im mitt-
            leren Konzerthaussaal im Abstand von ein paar Tagen auf:

                 Leopold Münzer hat für seinen am 19. d. im mittleren Konzerthaussaa-
                 le stattfindenden Klavierabend folgendes Programm gewählt: Chopin:
                 Sonate op. 58, A-Moll; Beethoven: Sonate op. 53; Waldsteinsonate; Liszt:
                 Sonate H-Moll.
                 Artur Hermelin gibt am 23. d. im mittleren Konzerthaussaal seinen
                 zweiten Klavierabend. Programm: Beethoven: Sonate op. 101; Schu-
                 mann: Phantasie 6-Dur; Debussy: sechs Preludes und eine Gruppe
                 Liszt. 30

                 Artur Hermelin (1901–1942), der am wenigsten bekannte Schüler Edu-
            ard Steuermann´s, stammte ebenso aus dem gebildeten jüdischem Milieu
            Galiziens: sein Großvater war chassidischer Rabbiner in Brody, sein Vater
            Natan ein Rechtsanwalt und äußerst aktiver Teilnehmer Lemberger Mu-
            sikleben, sein Onkel ein berühmter Arzt, sein Bruder Richard ein äußerst
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            talentierter Architekt.  Mit 13 Jahren ging Artur Hermelin nach Wien, um
            bei Theodor Leszetycki – allerdings in dessen letztem Lebensjahr – Kla-
            vierunterricht zu genießen. Nach Leszetycki´s Tod kehrte er nach Lemberg
            zurück und studierte fast vier Jahre lang bei V. Kurz, dann, nach seiner
            Übersiedlung, ähnlich wie Münzer bei J. Lalewicz. Im Jahr 1919 nahm A.
            Hermelin im Paderewski-Wettbewerb für Pianisten und Pianistinnen pol-
            nischer Herkunft in Lublin teil. Wie Stanislaw Niewiadomski berichtete,
            war er

                 der jüngste von allen Teilnehmern und ein herausragendes Talent.
                 Technisch hervorragend ausgebildet (Schüler von Professor Kurz aus
                 Lemberg) erregte er allgemeine Aufmerksamkeit durch bestimmte Ei-
                 genschaften seiner Interpretation. Der Meinung der Juroren nach lag
                 aber darin auch eine gewisse Affektiertheit, ein Zeichen von Unreife,
                 das allerdings leicht durch das junge Alter des Pianisten zu erklären sei.

            30   Anon., „Mitteilungen der Konzertdirektion Georg Kugel“, Neues Wiener Tagblatt
                 57, Nr. 102 (15. April 1923): 11.
            31   Hanna Palmon, „The Polish Pianist Artur Hermelin [Polnischer Pianist Ar-
                 tur Hermelin]“,  Muzykalia 13/  Judaica 4, http://demusica.edu.pl/wp-content/up-
                 loads/2019/07/palmon_muzykalia_13_judaica_41.pdf; Marjana Ferendowytsch,
                 „Маловідомі сторінки життєтворчості диригента Натана Гермеліна [Weni-
                 ger bekannte Seiten aus dem Leben und Schaffen des Diriginten Natan Hermelin]“,
                 Молодий вчений 10, No. 50 (Kyiv, 2017): 361–5; Błaszczyk, Żydzi w kulturze muzycz-
                 nej, 106.


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