Page 76 - Weiss, Jernej, ur./ed. 2025. Glasbena interpretacija: med umetniškim in znanstvenim┊Music Interpretation: Between the Artistic and the Scientific. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 8
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in den örtlichen Vorstand gewählt: Komponist und Direktor des Konser-
vatoriums der Polnischen Musikgesellschaft Adam Sołtys (als Präsident),
Musikwissenschaftlerinnen Stefania Łobaczewska (Vizepräsidentin) und
Zofia Lissa (Schriftführerin) und und Seweryn Barbag (Komponist und
Musikwissenschaftler), Zofia Kozłowska (Pianistin und Sängerin, Gesangs-
pädagogin), Józef Koffler und Leopold Münzer als Vorstandsmitglieder. 27
Nach der sowjetischen Machtübernahme leitete Münzer in den Jahren
1939–1941 den Lehrstuhl für Klavier im reorganisierten Lemberger Kon-
servatorium und trat im Moskau, Leningrad sowie die Kyiv mit großem
Erfolg auf: die neue Regierung war erstaunlicherweise großzügig zu ihm.
Nach der Besatzung Lembergs durch die Nazis lebte er, der verbreitesten
Version zufolge, im Ghetto und wurde 1942 im KZ Janiv ermordet, was
aber laut neueren Erkenntnissen nicht ganz stimmen dürfte. Andere Quel-
len berichten, dass L. Münzer durfte als Pförtner oder Nachtwächter in den
„kommunalen Werkstätten“ tätig sein, die im April 1942 gegründet wur-
den, in der Hoffnung, durch die Industrieunternehmen Tausende von Ju-
den zu retten nicht nur Arbeiter und Handwerker, sondern auch diejenigen
aus der jüdischen Intelligenz. 28
Einer der jüngsten Schüler Münzers, der Lemberger Pianist Oleh
Kryschtalskyj hinterließ die Erinnerung, dass Münzer, welcher Nachbar
seiner Familie war, noch eine gewisse Zeit in seiner Wohnung bleiben durf-
te: jener deutsche Offizier (unbekannten Namens), der in der Wohnung sta-
tionierte, war ein besonderer Musikliebhaber und ließ den Professor als
seine Haushaltshilfe unter der Bedingung, dass er ihm an manchen Aben-
den Konzerte für ihn und seine Freunde geben würde. Münzer kam ver-
mutlich infolge einer Razzia ums Leben, die näheren Umstände seines To-
des blieben jedoch unbekannt. 29
Zurück nach Steuermann in Wien kommend, darf ich eine höchst
symbolische Nachricht aus dem Neuen Wiener Tagblatt, Jahrgang 1923
hinzufügen, in den beiden Namen der Schüler Steuermanns vorkommen:
27 Małgorzata Sieradz, The Beginnings of Polish Musicology [Die Anfänge der polni-
schen Musikwissenschaft], Übers. Lindsay Davidson (Bern: Peter Lang, 2020), 66.
28 Dr. P.[hilipp] Friedman, „Annihilation of the Jews of Lwów [Vernichtung der Juden
von Lwów]“, in The Encyclopaedia of the Jewish Diaspora, Poland Series: Lwów Volu-
me, Hrsg. Dr. N.M. Gelber (Tel Aviv: s. n., 1956), 645.
29 Taras Dubrovnyj, „Штрихи до портрету Олега Криштальського [Einige Züge
zum Porträt von Oleg Kryschtalskyi]“, Zapysky Lwiwskoho Universytetu: Mystect-
woznawstwo 11 (2012): 70.
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