Page 200 - Vinkler, Jonatan, in Jernej Weiss. ur. 2014. Musica et Artes: ob osemdesetletnici Primoža Kureta. Koper: Založba Univerze na Primorskem.
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musica et artes

richten hing für die Deutsche Akademie für Musik und darstellende Kunst
die Erteilung des Öffentlichkeitsrechts zum Unterrichten ab.

Gleich im ersten Inspektionsbericht vom 27. Mai 1922 stellt er mit Be-
friedigung fest, dass an der Deutschen Akademie »in den Hauptzügen zum
einen nach der Tradition des alten Konservatoriums und zum anderen nach
dem Muster des tschechischen staatlichen Konservatoriums gearbeitet wird.«
Der Eindruck von der Institutsleitung ist »im Ganzen gut, zu beobachten ist
das Bestreben, das gleiche Niveau mit dem tschechischen Konservatorium zu
halten und künstlerisch mit ihm zu wetteifern.«16 Die (nicht nur administrati-
ven, sondern auch pädagogisch-künstlerischen) Verdienste um die Erhaltung
der Kontinuität mit dem alten Konservatorium werden dem Akademiedi-
rektor Romeo Finke zugeschrieben: »er sorgt wirklich vorbildlich um die Ent-
wicklung des Instituts, ist sehr strebsam, nahezu übervorsichtig. Er wurde nach
alten guten Vorbildern erzogen und achtet darauf, das Institut einwandfrei zu
repräsentieren. Er zeigt ein aufrichtiges Bestreben, allen Vorschriften des Mini-
steriums zu genügen …«17 Finke war allerdings kein bloßer Beamter, er unter-
richtete auch Klavier und kammermusikalisches Spiel. Er galt als ein energi-
scher, resoluter und gewissenhafter Lehrer.

Vom Anfang an wurde der Ausnahmestatus solcher Persönlichkeiten,
wie Alexander Zemlinsky, der dort 1920–1927 Komposition und Dirigieren
unterrichtete, anerkannt. Hierher gehörten auch der Violinist Henri Mar­
teau und der Pianist Konrad Ansorge, zu denen Branberger allerdings in sei-
nem Inspektionsbericht vom 19. April 1926 bemerkt:

Bedeutende Künstler kümmern sich jedoch zumeist nicht um das Institut, sie unter-
schätzen seine Bedeutung. Der berühmte Henri Marteau unterrichtet dieses Jahr
überhaupt nicht; als ihm die Direktion mitgeteilt hatte, dass er den gleichen Lohn
haben soll, wie die ordentlichen Professoren an der Meisterschule des staatlichen
Konservatoriums und er dessen Höhe erfuhr, verlor er das Interesse an der Anstalt.
Die Ergebnisse seines vorherigen Unterrichtens waren allerdings gleich Null, er
hatte keinen einzigen anständigen Schüler aufgezogen. Erfolgreicher und gewissen-
hafter wirkt der andere Meisterlehrer[,] Konrad Ansorge. Er kommt einmal mo-
natlich nach Prag und unterrichtet in einigen Stunden, die er während dieser Ex-
kursion dem Institut widmet, 12 Schüler. Die Ergebnisse eines solchen Unterrichts
können nicht groß sein, da die hohe Zahl der Hörer und die langen Pausen im Un-

16 Schrift Nr. 85058/22.
17 Schrift Nr. 36580/23.

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