Page 195 - Vinkler, Jonatan, in Jernej Weiss. ur. 2014. Musica et Artes: ob osemdesetletnici Primoža Kureta. Koper: Založba Univerze na Primorskem.
P. 195
leben und leiden der deutschen akademie für musik ...

gesteuert und sagte außerdem eine regelmäßige jährliche Subvention von ca.
250.000 Kronen zu. Die Schule wurde am 1. September 1920 im heute nicht
mehr existierenden Gebäude des ehemaligen Mädchenlyzeums in der Vladis-
lavova-Straße 23 eröffnet. Ihr erster Rektor wurde der damalige Opernchef
des Neuen deutschen Theaters in Prag, der Komponist und Dirigent Alex-
ander von Zemlinsky, nach ihm und in der Zwischenzeit folgten in kürze-
ren Intervallen der Pianist Conrad Ansorge (1923/24) und der Violinist Hen-
ri Marteau (1924/25), in der gesamten Zeitspanne von 1927 bis 1945 dann der
Komponist Fidelio Friedrich Finke. Der Verwaltungsdirektor war in den
Jahren 1920–1927 Romeo Finke, nach ihm Friedl Stratil. In administrativer
Hinsicht unterstand die Akademie einem Kuratorium, das langfristig vor-
nehmlich von dem Rechtsanwalt Franz Wien-Claudi (später u.a. Vorsitzen-
der der Prager Brucknergemeinde) geleitet wurde und in dem wechselweise
auch mehrere Professoren der Deutschen Universität von Prag, insbesonde-
re die Musikwissenschaftler Heinrich Rietsch und Gustav Becking, amtier-
ten. Während ihrer gesamten Zwischenkriegszeitexistenz kämpfte die Schu-
le mit finanziellen Problemen und rang mit dem Ministerium sowohl um
die Höhe der Dotationen, als auch – und vor allem – um ihre Stellung. Als
nichtstaatlich fiel sie nämlich in dieselbe Kategorie, wie private Musikschu-
len der Grund- und Mittelstufe, deren finanzielle Bedürfnisse, Ambitionen
und Ansehen natürlich weit niedriger gewesen sind (wobei zu bemerken ist,
dass auf gleicher Vereinsgrundlage u.a. zwei im damaligen Prag wirkenden
Exiluniversitäten – die ukrainische und die russische – betrieben wurden).
Selbst das Prager Konservatorium fungierte während des ganzen 19. Jahr-
hunderts und weiter bis zu seiner Verstaatlichung als eine Einrichtung des
Vereins zur Beförderung der Tonkunst in Böhmen / Jednota pro zvelebení
hudby v Čechách). Die Akademie musste sogar jedes Jahr neu um das Öffent-
lichkeitsrecht (das Recht zum öffentlichen Unterricht und Anerkennung,
bzw. Akkreditierung) ansuchen. Es war daher vornehmlich an den Vereins-
mitgliedern und weiteren Stiftern oder Sponsoren, ob die Schule überhaupt
existieren und Studenten ausbilden wird.

Aus der zum 10. Gründungstag der Akademie herausgegebenen Fest­
schrift5 geht hervor, dass dort im Schuljahr 1930/31 230 Schüler studierten6

5 Festschrift Deutsche Akademie für Musik und darstellende Kunst in Prag. 1920–1930 (Prag, 1931).
6 Diese Angabe über die Schülerzahl wurde durch Zusammenrechnung der in der erwähnten Ju-

biläums-Festschrift vorkommenden konkreten Namen gewonnen. Im Bericht des Rektors Fide-
lio F. Finke (veröffentlicht ebd., 13) wird für das Vorjahr 1929/30 die Zahl der Schüler mit 284 an-
gegeben, im Memorandum vom Mai 1930 wird von mehr als 250 Schülern gesprochen (siehe Fuchs,
op. cit., 67). Zum Vergleich – am tschechischen Staatlichen Konservatorium für Musik in Prag
studierten im Schuljahr 1930/31 557 Schüler.

193
   190   191   192   193   194   195   196   197   198   199   200