Page 102 - Weiss, Jernej, ur. 2018. Nova glasba v “novi” Evropi med obema svetovnima vojnama ?? New Music in the “New” Europe Between the Two World Wars. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 2
P. 102
nova glasba v »novi« evropi med obema svetovnima vojnama
siert und beschuldigt wurden. Die ideologischen Hindernisse konnten die
ukrainischen Komponisten doch nicht endgültig daran hindern, die mo-
derne musikalische Sprache nach ihrem Glauben zu benutzen, so dass sie
eine brutale Kritik an ideologischen Organen erlitten. Jede Neuerung wur-
de nach wie vor als „Verehrung des bürgerlichen Westens“, national cha-
rakteristische Themen – als „bürgerlicher Nationalismus“ bezeichnet. Zum
Beispiel wurde Latoschynskyj von seinen „Notizhaken, die nach dem Wes-
ten schauen“ beschuldigt. Um sein Schaffen und sogar das Leben zu retten,
mussten Künstler die Kompositionen im Geist des sozialistischen Realis-
mus schreiben. So beobachtete man ein Paradox der ambivalenten Indivi-
dualgestaltung, als im Schaffen desselben Komponisten koexistierten in-
novative Artefakte – und ideologisch bedingte Opera, wo der Autor die
kommunistische Thematik verkörperte und das Ausdruckssystem be-
wusst auf den Stil des 19. Jahrhunderts beschränkte, vor allem auf das Erbe
des „Mächtigen Häufleins“ und Tschaikowski. Als krasse Beispiele könnte
man die Oper „Schtschors“ von Latoschynskyj über den sowjetischen Hel-
den, „Oktober-Kantate“ von Werykiwskyj zur Ehre der Oktoberrevolution,
„Das Lied über Lenin“ von Rewutskyj u. m. a. erwähnen.
Eine einzige Möglichkeit, manche kreativen Ideen zu „schmuggeln“,
ohne der gnadenlosen kommunistischen Kritik ausgesetzt zu sein, bot die
mäßige Anwendung gewisser Elemente der heimischen Folklore (aber nicht
heidnische archaische!), meistens in symphonischen und kammer-instru-
mentalen Werken. Die volkstümliche Sphäre diente oft für solche Kompo-
nisten als eigenartige Brücke zwischen den Pole des Modernismus und des
sozialistischen Realismus. So entstanden solche Opera wie die Chöre nach
Gedichten von Taras Schewtschenko von Latoschynskyj, die Chorbearbei-
tungen der Kindervolkslieder „Sönnchen“ von Rewutskyj, symphonische
Suite „Frühlingslieder“ von Werykiwskyj.
Am Ende des Vortrags möchte ich eine brennende Frage beantwor-
ten: was bedeutet eigentlich die Methode des sozialistischen Realismus und
auf welche Art und Weise verkörperte sie in ukrainischer Musik. Woher
stammt der Begriff? Es gibt viele Vermutungen, eine von ihnen behauptet,
dass der Terminus „sozialistischer Realismus“ ursprünglich hat ein slowe-
nischer Priester geboten. „Zum ersten Mal wurde der Terminus „sozialis-
tischer Realismus“ in Slowenien in Jahr 1896. Ein Priester, der die Verän-
derungen in der sozialdemokratischen Literatur beobachtete, hat gemerkt,
100
siert und beschuldigt wurden. Die ideologischen Hindernisse konnten die
ukrainischen Komponisten doch nicht endgültig daran hindern, die mo-
derne musikalische Sprache nach ihrem Glauben zu benutzen, so dass sie
eine brutale Kritik an ideologischen Organen erlitten. Jede Neuerung wur-
de nach wie vor als „Verehrung des bürgerlichen Westens“, national cha-
rakteristische Themen – als „bürgerlicher Nationalismus“ bezeichnet. Zum
Beispiel wurde Latoschynskyj von seinen „Notizhaken, die nach dem Wes-
ten schauen“ beschuldigt. Um sein Schaffen und sogar das Leben zu retten,
mussten Künstler die Kompositionen im Geist des sozialistischen Realis-
mus schreiben. So beobachtete man ein Paradox der ambivalenten Indivi-
dualgestaltung, als im Schaffen desselben Komponisten koexistierten in-
novative Artefakte – und ideologisch bedingte Opera, wo der Autor die
kommunistische Thematik verkörperte und das Ausdruckssystem be-
wusst auf den Stil des 19. Jahrhunderts beschränkte, vor allem auf das Erbe
des „Mächtigen Häufleins“ und Tschaikowski. Als krasse Beispiele könnte
man die Oper „Schtschors“ von Latoschynskyj über den sowjetischen Hel-
den, „Oktober-Kantate“ von Werykiwskyj zur Ehre der Oktoberrevolution,
„Das Lied über Lenin“ von Rewutskyj u. m. a. erwähnen.
Eine einzige Möglichkeit, manche kreativen Ideen zu „schmuggeln“,
ohne der gnadenlosen kommunistischen Kritik ausgesetzt zu sein, bot die
mäßige Anwendung gewisser Elemente der heimischen Folklore (aber nicht
heidnische archaische!), meistens in symphonischen und kammer-instru-
mentalen Werken. Die volkstümliche Sphäre diente oft für solche Kompo-
nisten als eigenartige Brücke zwischen den Pole des Modernismus und des
sozialistischen Realismus. So entstanden solche Opera wie die Chöre nach
Gedichten von Taras Schewtschenko von Latoschynskyj, die Chorbearbei-
tungen der Kindervolkslieder „Sönnchen“ von Rewutskyj, symphonische
Suite „Frühlingslieder“ von Werykiwskyj.
Am Ende des Vortrags möchte ich eine brennende Frage beantwor-
ten: was bedeutet eigentlich die Methode des sozialistischen Realismus und
auf welche Art und Weise verkörperte sie in ukrainischer Musik. Woher
stammt der Begriff? Es gibt viele Vermutungen, eine von ihnen behauptet,
dass der Terminus „sozialistischer Realismus“ ursprünglich hat ein slowe-
nischer Priester geboten. „Zum ersten Mal wurde der Terminus „sozialis-
tischer Realismus“ in Slowenien in Jahr 1896. Ein Priester, der die Verän-
derungen in der sozialdemokratischen Literatur beobachtete, hat gemerkt,
100
