Page 99 - Weiss, Jernej, ur. 2018. Nova glasba v “novi” Evropi med obema svetovnima vojnama ?? New Music in the “New” Europe Between the Two World Wars. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 2
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ukrainische komponistenschule in der zwischenkriegsperiode des xx jahrhunderts

Sie alle – jeder nach Möglichkeit und dem Maß des Talents – berück-
sichtigten neuste stilistische Kunstströmungen und adaptierten zu eigener
Weltanschauung, zu den nationalen Traditionen. Die Transformation der
aktuellen modernistischen Richtungen fand ziemlich punktuell statt. Man-
che Neuigkeiten wurden als solche, welche nicht den wichtigsten menta-
len geistigen Gründen angepasst schienen, abgelehnt, obwohl den jungen
Komponisten gut bekannt waren.

So, z.B. sind nicht speziell beliebt, d. h. in dem Schaffen ukrainischer
Modernisten transformiert folgende modernistische Tendenzen: der Ex-
pressionismus, Urbanismus, Konstruktivismus, die Ästhetik „Neuer Sach-
lichkeit“, Fovismus usw., also, in Allgemeinen diese ästhetisch-stilistische
Richtungen in Rahmen des Modernismus, welche etwas Hässliches, Ordi-
näres, Alltägliches, massenhaft Unindividuelles, also, alles, was mit den ur-
sprünglichen Instinkten verbundenen Wesen als Zentralobjekt des Kunst-
ausdrucks hervorgezogen haben.

Dementgegen, der Impressionismus und Symbolismus, Neuklassizis-
mus und Neofolklorismus (im Sinne der Neubetrachtung der Volksgrün-
de) eroberten in einige Jahre galizische Komponistenschule der ersten Jahr-
zehnte des XX Jahrhunderts und führten zur Umwandelung der früheren
romantischen Prioritäten. Doch romantische Stilistik ist in diesem Kontext
nicht abgemacht, wie in anderen Nationalschulen, ganz umgekehrt, sie be-
kam einen positiven Ansporn in der innovativen Wechselwirkung mit den
Elementen des neuen modernistischen Ausdruckssystems.

Trotz den mehreren gemeinsamen Merkmalen des Ausdrucks, im
Schaffen jeder Komponisten widerspiegelte sich individuell die Vielfältig-
keit neuer künstlerischen Möglichkeiten. Dies ermöglicht,

„die Präsenz in der Musik der charakteristischen Merkmale des
Modernismus zu behaupten, der sich zunächst auf der Ebene des
musikalischen Ausdrucks manifestiert. Aber da die Unausgespro-
chenheit von Romantik (in der ukrainischen professionellen Mu-
sikkultur: es geht vor allem um die spätromantischen Leistungen,
die ganz bescheiden in den nationalen Artefakten präsent sind –
L. K.) verpflichtete, noch manche Züge der Romantik fortzusetzen.
Nur der einzige Komponist in ukrainischer Kultur erster Hälfte des
XX. Jahrhunderts als echter Modernist bewertet sein sollte: Borys
Latoschynskyj“.19

19 Nowakowytsch, „Kanon des ukrainischen musikalischen Modernismus im Schaffen
von Borys Latoschynskyj“, 7.

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