Page 97 - Weiss, Jernej, ur. 2018. Nova glasba v “novi” Evropi med obema svetovnima vojnama ?? New Music in the “New” Europe Between the Two World Wars. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 2
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ukrainische komponistenschule in der zwischenkriegsperiode des xx jahrhunderts
scher Ikonen, der Fresken des italienschen frühen Renaissance mit den in-
novativen künstlerischen Ausdrucksmitteln. Also, in irgendeiner Kunstart
knüpfte unentbehrlich jede komplizierte innovative Ausdruckstechnik an
ukrainische Folklore, oft an seine archaische Schichten, an.
Solche Treue den nationalen Traditionen geriet in Kollision mit den
wichtigsten Merkmalen des Modernismus „Charakteristische Eigenschaft
des Modernismus besteht darin, das der Prozeß überwiegt über die Be-
ständigkeit und Stabilität, es bedeutet der Mangel an endgültige Festigkeit,
Völligkeit, Bestimmtheit modernistischer Erscheinungen. Das ist mit dem
Wesen des Modernismus verbunden, der in ständiger Bewegung, in den
Suchen verblieb. Als „objektiver Ausdruck der Aktualität des Zeitgeistes“
der Modernismus könnte keine Festigkeit erwerben, seine ständige Bewe-
gung aufhören, dementsprechend bleibt als ein „unvollendetes Projekt“15.
Es ist gültig auch für die nationale Musikkunst. Der Modernismus als
besonderes Phänomen in der Entwicklung der ukrainischen Musik der ers-
ten Hälfte des 20. Jahrhunderts gestaltete vom Anfang an als eine wider-
sprüchliche Erscheinung: einerseits, strebten manche Musiker, die sich als
Modernisten halten, zur Deideologisierung nationaler Kultur, also, setz-
ten die Prioritäten des „Allgemein-Verständlichen, Universalen“ im Ge-
genteil zu den früheren Idealen „National-Bestimmten“ auf allen Ebenen.
Davon zeugt z. B. seltener getroffene Thematik der Musikwerke, wie Bi-
belsagen, phantastische Allegorien, antike Fabeln – oder ganz konstrukti-
ve „progressiv-außermenschliche“ Inhalte, die symbolisch vieldeutig inter-
pretieren sind.
Wie hat ein Vertreter des ukrainischen musikalischen Modernismus
Borys Janowskyj (Janowskyj war sein Pseudonym, eigene Familienname –
Siegl, Deutsche von Herkunft), der neue künstlerische Denkensart etwa von
1907 manifestierte, in seiner Selbstbiographie im Jahr 1927 geschrieben:
„Ich lebte die ganze Zeit in der Ukraine, ukrainische Lieder kann-
te ich und liebte. Aber mein Kunstverständnis wurde geändert. Ich
habe verstanden, dass alte Oper vorbei ist, man braucht etwas Neu-
es, man braucht irgendeine besondere Einstellung. Ich wandte die
Aufmerksamkeit auf den Maeterlinck, der auch ganz und gar alte
Traditionen abneigte. Mich entzückte seine „Schwester B eatrix“
(Sœur Béatrice). Ohne Zeit zu verlieren, schrieb ich nach diesem
15 Rzewska, „Musik der Ukraine bei Dnepr in erster Drittel des XX. Jahrhunderts in
der Wechselwirkung und in der Umgestaltung der soziokulturellen Diskursen“, 8.
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scher Ikonen, der Fresken des italienschen frühen Renaissance mit den in-
novativen künstlerischen Ausdrucksmitteln. Also, in irgendeiner Kunstart
knüpfte unentbehrlich jede komplizierte innovative Ausdruckstechnik an
ukrainische Folklore, oft an seine archaische Schichten, an.
Solche Treue den nationalen Traditionen geriet in Kollision mit den
wichtigsten Merkmalen des Modernismus „Charakteristische Eigenschaft
des Modernismus besteht darin, das der Prozeß überwiegt über die Be-
ständigkeit und Stabilität, es bedeutet der Mangel an endgültige Festigkeit,
Völligkeit, Bestimmtheit modernistischer Erscheinungen. Das ist mit dem
Wesen des Modernismus verbunden, der in ständiger Bewegung, in den
Suchen verblieb. Als „objektiver Ausdruck der Aktualität des Zeitgeistes“
der Modernismus könnte keine Festigkeit erwerben, seine ständige Bewe-
gung aufhören, dementsprechend bleibt als ein „unvollendetes Projekt“15.
Es ist gültig auch für die nationale Musikkunst. Der Modernismus als
besonderes Phänomen in der Entwicklung der ukrainischen Musik der ers-
ten Hälfte des 20. Jahrhunderts gestaltete vom Anfang an als eine wider-
sprüchliche Erscheinung: einerseits, strebten manche Musiker, die sich als
Modernisten halten, zur Deideologisierung nationaler Kultur, also, setz-
ten die Prioritäten des „Allgemein-Verständlichen, Universalen“ im Ge-
genteil zu den früheren Idealen „National-Bestimmten“ auf allen Ebenen.
Davon zeugt z. B. seltener getroffene Thematik der Musikwerke, wie Bi-
belsagen, phantastische Allegorien, antike Fabeln – oder ganz konstrukti-
ve „progressiv-außermenschliche“ Inhalte, die symbolisch vieldeutig inter-
pretieren sind.
Wie hat ein Vertreter des ukrainischen musikalischen Modernismus
Borys Janowskyj (Janowskyj war sein Pseudonym, eigene Familienname –
Siegl, Deutsche von Herkunft), der neue künstlerische Denkensart etwa von
1907 manifestierte, in seiner Selbstbiographie im Jahr 1927 geschrieben:
„Ich lebte die ganze Zeit in der Ukraine, ukrainische Lieder kann-
te ich und liebte. Aber mein Kunstverständnis wurde geändert. Ich
habe verstanden, dass alte Oper vorbei ist, man braucht etwas Neu-
es, man braucht irgendeine besondere Einstellung. Ich wandte die
Aufmerksamkeit auf den Maeterlinck, der auch ganz und gar alte
Traditionen abneigte. Mich entzückte seine „Schwester B eatrix“
(Sœur Béatrice). Ohne Zeit zu verlieren, schrieb ich nach diesem
15 Rzewska, „Musik der Ukraine bei Dnepr in erster Drittel des XX. Jahrhunderts in
der Wechselwirkung und in der Umgestaltung der soziokulturellen Diskursen“, 8.
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