Page 100 - Weiss, Jernej, ur. 2018. Nova glasba v “novi” Evropi med obema svetovnima vojnama ?? New Music in the “New” Europe Between the Two World Wars. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 2
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nova glasba v »novi« evropi med obema svetovnima vojnama
Er transformierte folgerichtig und dabei individuell in seinem indivi-
duellen Stil wichtigste Prinzipien neuer musikalischer Ästhetik.
Der Musiker mit der ausgezeichneten professionellen Ausbildung
(sein Lehrer für Komposition und bester Freund war Reingold Glier) und
mit einer breiten künstlerischen Erudition, Latoschynskyj gehörte zum
Typ von Künstlern, im dessen Denken eine „spezifisch intellektuelle Sicht“
dominiert. Es ist bemerkenswert, dass Latoschynskyj als der bedeutends-
te ukrainische Symphonist etabliert wurde. In seinen fünf Symphonien
repräsentierte er verschiedene Modi des Modernismus: von rein expressi-
onistischen, scharfen trüben Gestalten, konstruktivistischen experimen-
tellen Techniken – bis zu neuklassizistischen Allusionen zu den barocken
Prototypen, polyphonischen Geflechten dissonanten Linien. Auch obliga-
te Volksschicht vermied er nicht endgültig, obwohl nicht so häufig und ein-
deutig eingeführt, wie andere Komponisten. Manche typische Elemente
nationaler Folklore erschienen in den Latoschynskis Werke auf verschie-
dene Weise. Manchmal benutzt der Komponist die archaischen Formen,
etwas „fovistisch“, ähnlich wie bei Strawinsky oder Bartók (in der Oper
„Goldener Ring“). In anderen Werken folgt er dem symbolischen Sinne ei-
nes Liedtextes (wie, z. B. in der Dritten Symphonie, in erstem Teil welcher
als Nebensatzthema klingt das Volkslied „die Schwermut nach der Schwer-
mut, die Armut nach der Armut“ (журба за журбою, біда за бідою). Ge-
nauso modernistisch sind seine zahlreichen Kammerwerke konzipiert. Als
Pädagoge erzog er schon in 60-er Jahre die Generation junger Komponis-
ten, die bald unter dem Namen „Kyiver Avantgarde“ bekannt wurden und
mehrere, von ihrem Lehrer nicht realisierte schöpferische Ideen schon auf
dem neuen Niveau der Kulturentwicklung verkörperten.
Verschiedene individuelle Transformationen entweder des Moder-
nes oder des Modernismus als natürlicher Prozeß der Entwicklung jeder
Kunst in ihrer Mannigfaltigkeit wurde durch ungünstige politische Um-
stände, d. h. durch einen gewaltsamen Beitritt zur UdSSR, unterbrochen
und verfälscht worden, mit dem tragischen Höhepunkt „Die erschossene
Renaissance“ in den dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts. Alle
früheren ästhetischen Richtungen, besonders die innovative, wie Expres-
sionismus, Konstruktivismus usw. sind als „bürgerliche, unproletarische,
dem Volk fremde“ verurteilt und bald verboten. Ihre Vertreter sind nicht
nur in allen möglichen Medien beseibern, aber meistens physisch vernich-
tet. So ging zugrunde alle Künstler aus der „Bojtschuk-Schule“ mit ihrem
Haupt M ychajlo Bojtschuk, gegen fast alle Schauspieler des experimen-
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Er transformierte folgerichtig und dabei individuell in seinem indivi-
duellen Stil wichtigste Prinzipien neuer musikalischer Ästhetik.
Der Musiker mit der ausgezeichneten professionellen Ausbildung
(sein Lehrer für Komposition und bester Freund war Reingold Glier) und
mit einer breiten künstlerischen Erudition, Latoschynskyj gehörte zum
Typ von Künstlern, im dessen Denken eine „spezifisch intellektuelle Sicht“
dominiert. Es ist bemerkenswert, dass Latoschynskyj als der bedeutends-
te ukrainische Symphonist etabliert wurde. In seinen fünf Symphonien
repräsentierte er verschiedene Modi des Modernismus: von rein expressi-
onistischen, scharfen trüben Gestalten, konstruktivistischen experimen-
tellen Techniken – bis zu neuklassizistischen Allusionen zu den barocken
Prototypen, polyphonischen Geflechten dissonanten Linien. Auch obliga-
te Volksschicht vermied er nicht endgültig, obwohl nicht so häufig und ein-
deutig eingeführt, wie andere Komponisten. Manche typische Elemente
nationaler Folklore erschienen in den Latoschynskis Werke auf verschie-
dene Weise. Manchmal benutzt der Komponist die archaischen Formen,
etwas „fovistisch“, ähnlich wie bei Strawinsky oder Bartók (in der Oper
„Goldener Ring“). In anderen Werken folgt er dem symbolischen Sinne ei-
nes Liedtextes (wie, z. B. in der Dritten Symphonie, in erstem Teil welcher
als Nebensatzthema klingt das Volkslied „die Schwermut nach der Schwer-
mut, die Armut nach der Armut“ (журба за журбою, біда за бідою). Ge-
nauso modernistisch sind seine zahlreichen Kammerwerke konzipiert. Als
Pädagoge erzog er schon in 60-er Jahre die Generation junger Komponis-
ten, die bald unter dem Namen „Kyiver Avantgarde“ bekannt wurden und
mehrere, von ihrem Lehrer nicht realisierte schöpferische Ideen schon auf
dem neuen Niveau der Kulturentwicklung verkörperten.
Verschiedene individuelle Transformationen entweder des Moder-
nes oder des Modernismus als natürlicher Prozeß der Entwicklung jeder
Kunst in ihrer Mannigfaltigkeit wurde durch ungünstige politische Um-
stände, d. h. durch einen gewaltsamen Beitritt zur UdSSR, unterbrochen
und verfälscht worden, mit dem tragischen Höhepunkt „Die erschossene
Renaissance“ in den dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts. Alle
früheren ästhetischen Richtungen, besonders die innovative, wie Expres-
sionismus, Konstruktivismus usw. sind als „bürgerliche, unproletarische,
dem Volk fremde“ verurteilt und bald verboten. Ihre Vertreter sind nicht
nur in allen möglichen Medien beseibern, aber meistens physisch vernich-
tet. So ging zugrunde alle Künstler aus der „Bojtschuk-Schule“ mit ihrem
Haupt M ychajlo Bojtschuk, gegen fast alle Schauspieler des experimen-
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