Page 59 - Weiss, Jernej, ur. 2018. Nova glasba v “novi” Evropi med obema svetovnima vojnama ?? New Music in the “New” Europe Between the Two World Wars. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 2
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heilige nüchternheit. der komponist in der moderne ...
Capriccio (R. Strauss, 1942)
Mozart in New York (H. Eder, 1991)
Der Gottgeliebte (Mozart/Salieri, 1995)
… fremd bin ich eingezogen (G. Schedl, 1997)
Mozart (S. Levay, 1999)
Falco meets Amadeus (2000)
Angesichts der aufgeführten Beispiele kann füglich die kritische Frage
gestellt werden, welche Rolle denn die „neue Sachlichkeit“ im Musikleben
wirklich gespielt habe. Die Abwendung vom „schlechten 19. Jahrhundert“
in der Musik mit seiner übersteigerten Sentimentalität und Monumentali-
tät wurde in Deutschland zuerst vom „Wandervogel“ praktiziert und fand
in der Jugendbewegung weite Verbreitung in fast allen Teilen der Gesell-
schaft. Natur statt Zivilisation, Selbermusizieren statt Konzert, Gemein-
schaftserlebnis statt isolierter Überwältigung, so lassen sich ihre Grund-
richtungen skizzieren. Die Reformpädagogik erhielt großen Aufschwung,
bei Reformpädagogen wie Hermann Lietz, Gustav Wyneken und Paul Ge-
heeb spielte die Musik eine große Rolle: August Halm zelebrierte in der
Freien Schulgemeinde Wickersdorf (1906-1910, 1920-1929) eine Art von
„Kultur-Theologie“.10 Mit seinem Buch Von zwei Kulturen der Musik (1913),
einer theologischen Apotheose Anton Bruckners als Synthese von Bach
und Beethoven (Fuge und Sonate) nahm er starken Einfluss auf die Musik-
wissenschaft. Ernst Kurth schloss mit seiner musikpsychologischen Ener-
getik an die Arbeiten von Halm an.
In der Breite schuf die Jugendmusikbewegung entsprechende Institu-
tionen, zahllose Gruppierungen formierten sich unter der Leitung charis-
matischer Führerpersönlichkeiten.11 In weiten Teilen ließen sie sich später
von der nationalsozialistischen Propaganda einfangen und gingen in den
Formierungen der NSDAP mehr oder weniger gezwungen auf. Nach dem
Zweiten Weltkrieg fanden sie wieder zusammen, sahen sich dann aber ei-
ner heftigen Kritik vor allem durch Theodor W. Adorno ausgesetzt. Erich
10 Lee A. Rothfarb, „Musik und Theologie - August Halm am Kreuzungspunkt seines
beruflichen und schöpferischen Weges“, in Musik in Baden-Württemberg 3 (1996): S.
115-134.
11 Die deutsche Jugendmusikbewegung in Dokumenten ihrer Zeit von den Anfängen bis
1933, hrsg. vom Archiv der Jugendmusikbewegung e. V. Hamburg (Wolfenbüttel u.
a.: Möseler, 1980).
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Capriccio (R. Strauss, 1942)
Mozart in New York (H. Eder, 1991)
Der Gottgeliebte (Mozart/Salieri, 1995)
… fremd bin ich eingezogen (G. Schedl, 1997)
Mozart (S. Levay, 1999)
Falco meets Amadeus (2000)
Angesichts der aufgeführten Beispiele kann füglich die kritische Frage
gestellt werden, welche Rolle denn die „neue Sachlichkeit“ im Musikleben
wirklich gespielt habe. Die Abwendung vom „schlechten 19. Jahrhundert“
in der Musik mit seiner übersteigerten Sentimentalität und Monumentali-
tät wurde in Deutschland zuerst vom „Wandervogel“ praktiziert und fand
in der Jugendbewegung weite Verbreitung in fast allen Teilen der Gesell-
schaft. Natur statt Zivilisation, Selbermusizieren statt Konzert, Gemein-
schaftserlebnis statt isolierter Überwältigung, so lassen sich ihre Grund-
richtungen skizzieren. Die Reformpädagogik erhielt großen Aufschwung,
bei Reformpädagogen wie Hermann Lietz, Gustav Wyneken und Paul Ge-
heeb spielte die Musik eine große Rolle: August Halm zelebrierte in der
Freien Schulgemeinde Wickersdorf (1906-1910, 1920-1929) eine Art von
„Kultur-Theologie“.10 Mit seinem Buch Von zwei Kulturen der Musik (1913),
einer theologischen Apotheose Anton Bruckners als Synthese von Bach
und Beethoven (Fuge und Sonate) nahm er starken Einfluss auf die Musik-
wissenschaft. Ernst Kurth schloss mit seiner musikpsychologischen Ener-
getik an die Arbeiten von Halm an.
In der Breite schuf die Jugendmusikbewegung entsprechende Institu-
tionen, zahllose Gruppierungen formierten sich unter der Leitung charis-
matischer Führerpersönlichkeiten.11 In weiten Teilen ließen sie sich später
von der nationalsozialistischen Propaganda einfangen und gingen in den
Formierungen der NSDAP mehr oder weniger gezwungen auf. Nach dem
Zweiten Weltkrieg fanden sie wieder zusammen, sahen sich dann aber ei-
ner heftigen Kritik vor allem durch Theodor W. Adorno ausgesetzt. Erich
10 Lee A. Rothfarb, „Musik und Theologie - August Halm am Kreuzungspunkt seines
beruflichen und schöpferischen Weges“, in Musik in Baden-Württemberg 3 (1996): S.
115-134.
11 Die deutsche Jugendmusikbewegung in Dokumenten ihrer Zeit von den Anfängen bis
1933, hrsg. vom Archiv der Jugendmusikbewegung e. V. Hamburg (Wolfenbüttel u.
a.: Möseler, 1980).
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