Page 69 - Weiss, Jernej, ur. 2018. Nova glasba v “novi” Evropi med obema svetovnima vojnama ?? New Music in the “New” Europe Between the Two World Wars. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 2
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vielfalt der moderne ...
In den sechs Jahren der Donaueschinger Musiktage traten einige Kom-
ponisten stärker in den Vordergrund. So standen Werke von Hindemith
und Krenek zwischen 1921 und 1926 auf den Programmen von vier Jah-
ren, an zwei Jahren wurden aufgeführt: Fidelio F. Finke (1891–1968), Hába,
Jarnach, Petyrek, Hermann Reutter (1900–1985), Erwin Schulhoff (1894–
1942), Josip Slavenski (1896–1955) und Toch. Die Musik aus dem deutsch-
sprachigen Raum, einschließlich der aus der ehemaligen Habsburgischen
Monarchie hervorgegangenen Territorien bildete einen Schwerpunkt. Viel-
leicht hängt das damit zusammen, daß das Fürstenhaus starke Bindungen
dorthin hatte. Das südwestdeutsche Geschlecht des Hochadels besaß gro-
ße Besitzungen in den österreichischen Erblanden, besonders in Böhmen.
Ihm gehörten z.B. seit 1607 auch Schloß, Stadt und Herrschaft im Wald-
viertler Weitra. Seinen Kunstsinn bezeugt die Einrichtung eines Theaters
im dortigen Schloß im 18. Jahrhundert, das noch heute bespielt wird. Die
Niederösterreichische Landesausstellung 1994 widmete sich dem Thema:
Die Fürstenberger. 800 Jahre Herrschaft und Kultur in Mitteleuropa.7
Die Verlegung der Musiktage nach Baden-Baden brachte zahlreiche
neue konzeptionelle Orientierungen, die von Hindemith geprägt wurden.
Überblickt man die hier aufgeführten Komponisten und Werke, so zeigt
sich dieser Wandel sehr deutlich. Die Tradition der Wiener Schule ist nur
noch 1927 durch die deutsche Erstaufführung von Bergs 1926 entstande-
ner Lyrischen Suite für Streichquartett vertreten. Die westeuropäische Mu-
sik und amerikanische Einflüsse wurden stärker berücksichtigt. Die Ge-
brauchsmusik in vielerlei Facetten war fortan zentrales Thema. Sie hatte
bereits 1926 mit Originalkomposistionen für Militärmusik begonnen. Die
Uraufführungen stammten von Krenek, Ernst Pepping (1901–1981), Toch
und Hindemith. Die neuen technischen Medien rückten in den Mittel-
punkt. Man versuchte eine ihnen entsprechende Musik zu erarbeiten. Pro-
vokation des etablierten bürgerlichen Kulturbetriebs war gewollt und an
der Tagesordnung.
Die Entwicklungen in Baden-Baden stehen in engem Zusammen-
hang mit der Idee einer Gebrauchsmusik im weitesten Sinne. Dabei sollten
die Grenzen zwischen Kunst und Nichtkunst in verschiedenen Gattungen
und Bereichen aufgebrochen werden. Der Begriff »Gebrauchsmusik« hatte
damals eine durchaus positive Bedeutung, allerdings verkam er Ende der
7 Arno Erchmeyer/Erwin H. Eltz, Hrsg., Die Fürstenberger. 800 Jahre Herrschaft und
Kultur in Mitteleuropa. Niederösterreichische Landesausstellung, Schloß Weitra 1994
(Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums, Neue Folge Nr. 342), (Korneu-
burg, 1994).
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In den sechs Jahren der Donaueschinger Musiktage traten einige Kom-
ponisten stärker in den Vordergrund. So standen Werke von Hindemith
und Krenek zwischen 1921 und 1926 auf den Programmen von vier Jah-
ren, an zwei Jahren wurden aufgeführt: Fidelio F. Finke (1891–1968), Hába,
Jarnach, Petyrek, Hermann Reutter (1900–1985), Erwin Schulhoff (1894–
1942), Josip Slavenski (1896–1955) und Toch. Die Musik aus dem deutsch-
sprachigen Raum, einschließlich der aus der ehemaligen Habsburgischen
Monarchie hervorgegangenen Territorien bildete einen Schwerpunkt. Viel-
leicht hängt das damit zusammen, daß das Fürstenhaus starke Bindungen
dorthin hatte. Das südwestdeutsche Geschlecht des Hochadels besaß gro-
ße Besitzungen in den österreichischen Erblanden, besonders in Böhmen.
Ihm gehörten z.B. seit 1607 auch Schloß, Stadt und Herrschaft im Wald-
viertler Weitra. Seinen Kunstsinn bezeugt die Einrichtung eines Theaters
im dortigen Schloß im 18. Jahrhundert, das noch heute bespielt wird. Die
Niederösterreichische Landesausstellung 1994 widmete sich dem Thema:
Die Fürstenberger. 800 Jahre Herrschaft und Kultur in Mitteleuropa.7
Die Verlegung der Musiktage nach Baden-Baden brachte zahlreiche
neue konzeptionelle Orientierungen, die von Hindemith geprägt wurden.
Überblickt man die hier aufgeführten Komponisten und Werke, so zeigt
sich dieser Wandel sehr deutlich. Die Tradition der Wiener Schule ist nur
noch 1927 durch die deutsche Erstaufführung von Bergs 1926 entstande-
ner Lyrischen Suite für Streichquartett vertreten. Die westeuropäische Mu-
sik und amerikanische Einflüsse wurden stärker berücksichtigt. Die Ge-
brauchsmusik in vielerlei Facetten war fortan zentrales Thema. Sie hatte
bereits 1926 mit Originalkomposistionen für Militärmusik begonnen. Die
Uraufführungen stammten von Krenek, Ernst Pepping (1901–1981), Toch
und Hindemith. Die neuen technischen Medien rückten in den Mittel-
punkt. Man versuchte eine ihnen entsprechende Musik zu erarbeiten. Pro-
vokation des etablierten bürgerlichen Kulturbetriebs war gewollt und an
der Tagesordnung.
Die Entwicklungen in Baden-Baden stehen in engem Zusammen-
hang mit der Idee einer Gebrauchsmusik im weitesten Sinne. Dabei sollten
die Grenzen zwischen Kunst und Nichtkunst in verschiedenen Gattungen
und Bereichen aufgebrochen werden. Der Begriff »Gebrauchsmusik« hatte
damals eine durchaus positive Bedeutung, allerdings verkam er Ende der
7 Arno Erchmeyer/Erwin H. Eltz, Hrsg., Die Fürstenberger. 800 Jahre Herrschaft und
Kultur in Mitteleuropa. Niederösterreichische Landesausstellung, Schloß Weitra 1994
(Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums, Neue Folge Nr. 342), (Korneu-
burg, 1994).
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